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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
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diesem Gefühl verliess ich das Schiff. Allen Foxleuten hab ich noch die Hand gegeben, aber ich brachte kein Wort mehr raus, weil ich mich elend beherrschen musste, die Tränen zu unterdrücken. Julius, der Schiffsjunge, weinte richtig, und auch den jungen Matrosen gieng’s beinahe so. Der Matrose Bayer wäre nur zu gern mitgekommen. Als wir vom Schiff abstiessen und an Land fuhren, versammelte sich die ganze Foxmannschaft am Heck und brachte ein dröhnendes Hurra aus. Dann fuhr das Schiff ab in die Eisberge des Fjords und verschwand bald. Erst im Herbst erfuhren wir, dass das Fox’ens letzte Fahrt gewesen ist. Jetzt liegt er als Wrack vor Godhavn.
    Dann krochen wir in unsere Schlafsäcke. Ich schlief aber nicht so bald ein, sondern dachte noch lang an unsere Foxtage, und immer kam wieder die Frage, ob ich wohl je wieder ein Schiff und das Meer sehen werde. Ich habe nie von so fremden Menschen eine so liebevolle Behandlung erfahren, wie von den beiden Stocklunds auf dem Fox, und so was gar nicht für möglich gehalten. Auch Hü hat da eine ganz neue Erfahrung gemacht. ...
    Das Aufstiegsgebiet von Q.havn bis ans Inlandeis kam mir landschaftlich merkwürdig schön und stimmungsvoll vor. Es waren da viele Seen, einer höher wie der andere. Von einem See fiel ein Wasserfall über eine steile Felswand direkt in einen anderen tiefer liegenden, ohne Flussläufe dazwischen mit vollständig klarem, blaugrünem Wasser. Wie man sich als Kind ein Märchenland träumt. Der Boden oft mit farbigen Steinen und Moosen. An einer Stelle war ein Fels in etwa 1 cm dicken Schichten rot und weiss gestreift. Er lag auf unserem Weg und war ein besonderer Ruhepunkt. Stolberg, Hü und ich kannten die Stelle unter dem Namen »der schöne Stein«.
    Die Woche des Lastentragens war die anstrengendste der ganzen Reise und durch die Mückenschwärme noch recht unangenehm. Im grünen Zelt konnte man mit zugebundenem Zugang einigermaßen Ruhe haben. Nur wurde es dann so heiss drin unter der Mittagssonne, dass man liegend stark schwitzte. Stolbergs Begolin hilft aber doch etwas. Die Mücken fliegen noch an einen dran, aber sofort wieder entsetzt weg ohne zu stechen. Wir sehen aber bedenklich aus, da das Begolin schwarz ist. Es trocknet, fällt dann in Schollen ab, um wieder durch einen neuen Anstrich ersetzt zu werden. Oben am Eisrand hat man noch vor den Mücken Ruhe.
    Trotz allem ist mir das Aufstiegsgebiet eine schöne Erinnerung, und keiner von den vielen Aufstiegen ist mir langweilig gewesen. Am schönsten ist es, mit Stolberg zu gehen, er erzählt bei den Ruhepausen immer Räuberpistolen.
    Als das Notwendigste alles oben am Eisrand war, wurde mit dem Beladen der Schlitten begonnen. Ich wollte kurz vor unserem Aufbruch noch einmal hinunter ans Meer gehen, um einen Persenning zu holen, den ich für einen eventuellen Bootbau an der Ostküste für nötig hielt, da unsere wasserdichten Schlittensäcke für den Bootbau viel Näharbeit gemacht hätten und es außerdem etwas wenig Stoff gewesen wäre. Q. wurde wieder ärgerlich und entschied dagegen, da das Depot ja sicher da sei. Das kostete ihn später manche unangenehme Stunde.
    Ich hatte ausserdem das merkwürdige Gefühl, ich müsse das Meer noch einmal von Nahem sehen. ... Jetzt wird Ernst aus der
Sache. Ich habe so ein Gefühl »Ent- oder weder«, etwas Angstgefühl, von dem ich nicht weiss, ob es noch von meiner Herzgeschichte her ist, die mich immer noch etwas quält. Wie es den andern ist, weiss ich nicht. Jedenfalls lässt sich keiner was merken.

8. August 2011
Tasiilaq, Ostgrönland

    »Zieht’s alles an, was ihr habt«, rät Patrick. Bald stehen drei Frauen und fünf Männer am Ufer, die sich derart aufgezwiebelt haben, dass sie eher dem Michelin-Männchen gleichen als Arktisabenteurern. Liner-Socken, Wandersocken, lange Unterhose, Wanderhose, Regen-Überhose, T-Shirt, Woll-Langarmshirt, Fleecepulli, Daunenpulli, Goretexjacke, Fleecehandschuhe, Überhandschuhe, Mütze, Kapuze. Über dieses Ensemble kommt noch eine orangefarbene Schwimmweste, dann sind wir bereit. Zelte, Schlafsäcke und Proviant für zwei Wochen haben wir in wasserdichten gelben Plastiktonnen verstaut.
    Zwei Motorboote mit kleiner Windschutzscheibe und offenem Verdeck, in ihrer Signalfarbenoptik den Schwimmwesten angepasst, tuckern ans Ufer neben dem Lagerschuppen heran. Mithilfe der starken Arme der Inuit-Steuermänner Vigo und Julius werden Gegenstände und Menschen verstaut.
    Die ganzen wasserdichten Taschen und

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