Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
warmes Wasser dazukommt, sind hier ganz erträglich.
Ich erfahre, wie sehr man unter solchen Bedingungen gute Ausrüstung zu lieben und schlechte zu hassen beginnt. Ich hasse nicht nur mein Pulka-Zuggeschirr, sondern zum Beispiel auch die Plastiktüten, die ich mir auf Anraten des Verkäufers immer in die Skischuhe stopfe, als Dampfsperre. Sie reißen leicht und stinken abends extrem. Und meine Sonnenbrille hasse ich, die schon etwas zerkratzt ist und hier ständig beschlägt. Und die Hardshell-Jacke, weil sie für diese Art von Tour zu kurz ist und die Kapuze wenig Windschutz bietet.
Verliebt bin ich dagegen in meine Daunenjacke, die ist wie Urlaub von der Kälte, pure warme Wonne. Die Wollunterwäsche, die sich trotz Schwitzens nicht kalt anfühlt. Die Daunenluftmatratze und den Schlafsack – ich habe mir seit Boží Dar einen neuen zugelegt, der wiegt fast vier Kilo, ist aber jedes Gramm wert. Er heißt Denali, wie der höchste Berg Nordamerikas, der für eisige Wetterbedingungen berüchtigt ist – ein erheblicher Fortschritt also zu meinem Vorgängermodell Snow Shoe. Eine Hassliebe verbindet mich mit den neuen Skischuhen: Einerseits habe ich mit denen wirklich nie kalte Füße – andererseits aber zwei riesige Blasen an der Ferse.
Zuletzt lerne ich noch, dass eine der besten Erfahrungen einer Expeditionsetappe die erste richtige Mahlzeit danach ist. Noch nie haben mir eine Banane, ein Stück Käse und eine Tomate so gut geschmeckt wie nach dieser Woche in Norwegen.
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HOESSLY, HANS
Geboren am 30. April 1883
in Malans.
Einziger Sohn des Mediziners Anton Hoessly, der viele Jahre Präsident der Sektion Bernina des Schweizerischen Alpen-Clubs war. Jugend in St. Moritz, erste alpine Ausflüge auf Skiern und zu Fuß. 1902 Maturität am Realgymnasium in Basel, Studium in Basel, Zürich, Freiburg und München, abgeschlossen 1908 mit dem medizinischen Staatsexamen. Assistenztätigkeit bei Professor Ernst Hedinger am Pathologischen Institut in Basel, Dissertation zum Thema Appendizitis. Zwischen 1909 und 1911 Assistenzarzt an der Inneren Abteilung des Eppendorfer Krankenhauses in Hamburg, an der Klinik für Ohrenheilkunde in Basel und an der Chirurgischen Klinik in Basel bei Professor Fritz de Quervain, dem Bruder von Alfred de Quervain. 1912 Expeditionsarzt der Schweizerischen Grönlandexpedition. Im Juni 1914 Vermählung mit der Ärztin Gertrud Tabitha Haerle, zwei Kinder. Habilitation für Chirurgie an der Universität Basel. 1916 für einige Monate Leitung der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Aarau in Stellvertretung, danach Arzttätigkeit am Orthopädischen Institut in Wien und an der Schweizerischen Anstalt für krüppelhafte Kinder im Züricher Stadtteil Balgrist. Dort 1917 nach einer weiteren Habilitation an der Universität Zürich im Fach Orthopädie zum Direktor befördert. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themengebieten Bakteriologie, Ohrenheilkunde, Anthropologie, Chirurgie und Orthopädie, unter anderem: »Ueber die schädigende Wirkung der physiologischen Kochsalzlösung«, »Experimentell erzeugte professionelle Schwerhörigkeit«, »Kraniologische Studien über die Ost-Eskimo nach dem Material der Schweizerischen Grönlandexpedition 1912«, »Leukozytose bei Intraperitonealblutungen« und »Die osteoplastische Behandlung der Wirbelsäuleerkrankungen speziell bei Verletzungen und bei der Spondylitis tuberculosa«.
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7. Juni 2012
Hamburg
In den meisten Fällen ist die Verfilmung eines guten Buches eine Enttäuschung. In diesem Fall ist das anders, denn ich wusste überhaupt nicht, dass es den Film zum Buch gibt. Aber von vorne: Die geowissenschaftliche Abteilung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich organisiert zum 100-jährigen Jubiläum der Schweizerischen Grönlandexpedition eine Ausstellung. Ich hatte schon länger mit den Verantwortlichen Kontakt, weil sie großes Interesse an ein paar Reisesouvenirs meines Opas hatten. Meine Eltern haben dann veranlasst, dass ein Kajak, ein paar Inuitwaffen und eine Jacke aus Seehundleder von Herrsching nach Zürich transportiert wurden.
In einer Woche wird die Ausstellung eröffnet, gestern bekam ich das Programm per E-Mail zugeschickt. Zunächst viele Reden: Begrüßungsworte des dänischen Konsuls, »Die kulturelle Bedeutung der Expedition für das heutige Grönland«, »100 Jahre Schweizer Grönlandforschung«. Der nächste Programmpunkt allerdings macht mich stutzig: »Kurzfilm. Alfred de Quervain und
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