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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
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bißchen Tschechien und ein bißchen Norwegen, schon hat man die Polarreife! Das ist wie Training im Kletterwald und dann mal ab auf den Mount Everest. Ich freue mich jetzt schon auf Reinhold Messners Kommentar.

3. August 2012
Tasiilaq, Ostgrönland

    Ich habe mir oft ausgemalt, wie es sein würde, zum zweiten Mal nach Tasiilaq zu kommen. Ganz bestimmt habe ich aber nicht damit gerechnet: Als Wilfried, Jan und ich mit schweren Rucksäcken die Veranda zum »Roten Haus« hochstapfen, wo wir die ersten Nächte schlafen werden, fragt ein junger Mann mit Schweizer Akzent, wo wir herkämen. »Aus Deutschland? Seid ihr die mit dem Enkel von Roderich Fick?« Wir bejahen, und er stellt sich als Lorenz vor. Er ist Reiseleiter und hat in meinem Blog von unserem Vorhaben gelesen.
    Derzeit ist er mit einer ganz besonderen Gruppe unterwegs. »Da sind acht Enkel von Alfred de Quervain dabei, zum hundertjährigen Jubiläum reisen wir an die Orte, wo er damals war«, berichtet er und lädt uns für den Abend ins Hotel »Angmagssalik« ein. Ahnenforschung im Eis ist offenbar der Trend des Sommers, sollte sich mal ein Reisebüro drauf spezialisieren.
    In den letzten 24 Stunden haben wir uns immer mehr von der Großstadt und den Annehmlichkeiten der Zivilisation entfernt. Deutlich wird das schon an der Größe der Fluggeräte: Von Hamburg nach Reykjavik flog eine Boeing 737 mit 180 Sitzplätzen. Von Reykjavik nach Kulusuk in Grönland eine Fokker-50-Propellermaschine, 54 Sitzplätze. Und von Kulusuk nach Tasiilaq ein Hubschrauber, neun Sitze.
    Robert Peroni wirkt noch besser in Form als auf unserer letzten Reise. Er empfängt uns mit ein paar guten Neuigkeiten: »Das Eis ist gut dieses Jahr, es hat viel geschneit im Winter, mehr als 20
11.« Viel Schnee, das bedeutet, dass die Skier laufen und man gut vorankommt. Das klingt schon erheblich besser als die BBC-Meldung, dass es oben auf der Eisfläche so viel getaut hat wie seit mehr als einem Jahrhundert nicht. Jeden Tag matschiger Sulzschnee wäre eine kaum zu ertragende Quälerei.
    »Zum ersten Abendessen seid ihr eingeladen«, sagt er noch, ihm sind Inlandeis-Expeditionen besonders sympathisch, weil er selbst die Reisen durch die Eiswüste vermisst: »Am liebsten würde ich meine Sachen packen und mitkommen.« Die Kraft und das Durchhaltevermögen, das er früher für seine Extremtouren brauchte, verwendet er nun für sein Tourismusgeschäft. Vor allem den Inuit des Ortes bietet es eine Lebensgrundlage anstelle der nicht mehr allzu lukrativen Jagd.
    Die Mitarbeiter tischen ein arktisches Festgelage mit Seehundrippchen und Zwiebelrisotto auf. Peroni hat aus Italien die Esskultur importiert und vermischt sie mit den lokalen Ressourcen. Auch wenn sich niemals ein Restauranttester hierher verirren wird: In einem Radius von vielen Hundert Kilometern lässt es sich nirgendwo besser dinieren als im »Roten Haus«.
    Mit vollem Magen laufen wir zur Unterkunft der Schweizer, dem Hotel »Angmagssalik«, am Hang oberhalb des grauen Staub-Fußballplatzes gelegen. In einer Art Vereinsraum mit Eisbärenfell und Inuittrommel als Wanddekoration schütteln wir acht Enkeln von Alfred de Quervain die Hand. Ich lerne bei der Begrüßung endlich die korrekte Aussprache des Namens: auf Französisch und mit Betonung auf dem »de«. Bislang war mir der Name immer als »de Kérwein« vertraut gewesen, weil meine Oma ihn so ausgesprochen hatte.
    Die Familienmitglieder sind zwischen Mitte 40 und Mitte 60 und hatten die gleiche Idee wie wir: die Route von 1912 nachreisen. Allerdings nicht auf Skiern. Sie sind nach de Quervainhavn an der Westküste geflogen, dem damaligen Startpunkt der Expedition und unserem jetzigen Ziel, heute unter dem Namen Port Victor bekannt. Eine Ironie des Schicksals: De Quervain selbst gab so vielen Bergen und Buchten in Grönland ihre Namen zu Ehren anderer, doch sein eigener Hafen heißt heute anders.
    Dort entstand vor 100 Jahren ein besonderes Foto, das die komplette damalige Mannschaft vor einer Steinwand zeigt, auf der mit rot-weißen Buchstaben der damals nagelneue Ortsname stand.
    »Die Stelle haben wir gefunden und das Bild nachgestellt – es war noch etwas Farbe von dem ›h‹ und dem ›v‹ zu sehen«, berichtet Martin Meili, der Sohn einer Tochter de Quervains. »Und sogar ein paar Farbtropfen auf dem Boden.«
    Ihre nächste Etappe führte sie über das Inlandeis – per Flugzeug. Und noch weit darüber hinaus. Weil es keine geeigneten Verbindungen zur Ostküste gab,

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