Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
umgefallen. Es war sehr schwierig, ihn aufzurichten, da man am Rand der Spalte keinen sicheren Standpunkt finden konnte. Ist aber schliesslich doch gelungen. Es ist recht unbehaglich, aber allmählig gewöhnt man sich an die Sachen.
Mit den Hunden hat man viel Verdruss. In jedem unbewachten Augenblick fressen sie an ihren Zugriemen und Geschirren. Besonders Hoessli hat dadurch viel Arbeit mit Geschirrflicken und Anfertigen neuer Geschirre, hat’s aber los.
Dadurch, dass die Hunde während der Reise immer die Plätze wechseln, entsteht der bekannte Zopf, der dann noch vollgeschissen wird und mit blossen Fingern alle halbe Stunde aufgelöst werden muss. Dabei infiziert man sich immer von neuem die Wunden an den Fingern, und sie wollen gar nicht mehr heilen. Der Sonnenbrand und die Kälte tun das übrige. Die Lippen sind ganz verbrannt und entzündet. Beim Essen reissen sie immer wieder neu auf und bluten oft stark. Die Schnurrbarthaare verkleben sich dann in der Geschichte, und das Loslösen tut weh, sodass das Vergnügen des Essens etwas beeinträchtigt ist. Meine Nase ist auch stark verbrannt und verschwollen.
Die Hunde machen immer mehr Angriffe auf alles mögliche. Eines morgens haben sie den Schlittensack, wo die Reserveriemen für Hundegeschirre und Bindungen drin sind, aufgerissen und das meiste Riemenzeug aufgefressen. Auch das Schnauzenzubinden hilft nicht ganz und hat den Nachteil, dass die Hunde ringförmige Wunden ums Maul kriegen. Sie schätzen das Zubinden natürlich nicht und sträuben sich anfangs dagegen. Allmählig finden sie sich aber drein.
Mein Jakobshavner kommt immer selber und hält seine Schnauze hin, wenn er fertig gefressen und geschleckt hat. Ich tu es ungern, aber es muss doch gemacht werden. Bei Parpu gelingt es nicht immer, weil er sich ungern anfassen lässt und sehr scheu ist; er schnappt dabei immer drohend nach einem, hat aber nie wirklich gebissen. Die Hunde haben es überhaupt schlecht. Sie kriegen zwar genug Nahrung, aber das Volumen des Pemmikans ist so gering, dass sie doch immer Hunger haben. Auf der Reise kriegen sie, wenn sie schlecht ziehen, oft die Peitsche.
Trotz allem werden sie immer anhänglicher. Hoessli schaut morgens immer nach, was die Hunde nachtsüber angerichtet haben ...
Damals dachte ich oft, ob wir nicht ohne Hunde mit selber Ziehen besser daran wären, aber jeden Tag, wenn die Reiserei schön im Gang war: »heut’ lohnt sich’s doch noch.« Wir müssen sie wenigstens bis auf den höchsten Punkt mitkriegen. Wenn die Hunde übrigens gut im Zug sind, geht es so schnell, dass man nicht lange auf Ski daneben herlaufen kann. Wir sitzen, wo’s glatt geht, schon häufig auf mit den angeschnallten Ski; kommen Hindernisse, Schneedünen, Spalten und dergleichen, springt man ab und hilft wenn nötig nach.
6. August 2012
Tasiilaq, Ostgrönland
Eine optimistische Grundeinstellung ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die ein Expeditionsleiter mitbringen sollte. Und wenn es so etwas wie einen König der Optimisten gibt, dann ist es Wilfried Korth aus Berlin. Auf die meisten Probleme reagiert er mit dem Mantra »Das kriegen wir schon hin«. Heute muss er das ziemlich oft sagen. Zum Beispiel als uns Robert Peroni eröffnet, dass wir wegen des Wellengangs die Bootsfahrt zu unserem Startpunkt verschieben müssten. »Das wäre heute lebensgefährlich da draußen«, sagt er. Wilfried bringt das nicht aus der Fassung: »Für jeden Tag, den wir hier verlieren, müssen wir eben einen Tag mehr segeln. Das kriegen wir schon hin.«
Wenigstens ist unsere Ausrüstungskiste inzwischen angekommen, am frühen Nachmittag stellt sie ein Gabelstapler am Pier ab, und wir können ausladen. Doch als wir die Sperrholzwand öffnen, erwartet uns eine böse Überraschung: Wasserschaden, die ganze Ausrüstung schwimmt in dem Kasten herum. »So lange die Stoffsäcke mit dem Essen nicht nass sind, ist es nicht so schlimm«, sagt Wilfried hoffnungsvoll. Dann inspiziert er die Essenssäcke. »Die sind ein bisschen nass geworden, aber das kriegen wir wieder trocken.« Und die Schimmelflecken auf den Skischuhen? »Das kriegt man schnell ab«, sagt er. Während ich innerlich Gott und die Welt verfluche, als wir einige Liter Wasser aus unseren Pulkaschlitten kippen und zu Brei aufgeweichte Pappkartons entsorgen, bleibt er sehr entspannt. Zumindest äußerlich.
Am nächsten Tag ist immer noch stürmische See, doch Peroni ringt sich dazu durch, uns aufbrechen zu lassen. Wir verstauen unser
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