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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
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usse chömet? Nit dass mer uf eimol am Skoresbysund sind.« Der Skoresbysund liegt etwa 800 Kilometer nördlich des anvisierten Zielpunktes.
    Berggipfel sind nun auch nach vorne zu sehen und endlich wieder das Wasser des Atlantiks: Rechts erstreckt sich das offene Meer bis zum Horizont, geradeaus geht es zu einem verzweigten Fjordsystem.
    Doch der Weg dorthin ist von einem Spaltensystem aus Straßen und Querstraßen zerfurcht, außerdem wissen die Männer nicht, wo an diesen Ufern sie nun genau das überlebenswichtige Depot vermuten sollen. Laut ihren Messungen sind sie jedoch auf dem richtigen Weg.
    De Quervain läuft auf Skiern voraus, sucht nach einer Route durch die Hindernisse, die drei Schlitten folgen. Viele der Spalten verdeckt Schnee, nur durch seine etwas hellere Farbe sind die Fallen zu erkennen. Die Hunde müssen immer wieder gebremst werden, damit sie nicht darüber hinwegrennen und einbrechen. Es wird steiler, mit Eispickeln krallen sich die Männer in den Untergrund, um nicht die Kontrolle über die schweren Schlitten zu verlieren. Oft müssen sie zu zweit ihre Fahrzeuge über Spalten wuchten. Immer wieder hacken sie ihre Eispickel in den Boden, um zu testen, wie stabil der Grund ist. Einmal spürt Hoessly, dass der Boden nicht hält. Für eine Schrecksekunde verliert er das Gleichgewicht, es geht abwärts. Zum Glück sinkt er nur bis zum Bauch ein und kann sich wieder herausarbeiten.
    De Quervain läuft über eine Eiswelle und ist plötzlich nicht mehr zu sehen. Den drei anderen sieht es dort zu steil und gefährlich aus, also versuchen sie ein Stück weiter links eine Umgehung. Der Expeditionsleiter ist schon außer Rufweite, sie hoffen, dass er sie schon wiederfinden wird, sobald ihm klar wird, dass es nicht weitergeht. Doch als er merkt, dass ihm niemand mehr folgt, gerät er in Panik.
    Es ist kurz nach Mitternacht, die Gruppe läuft nun wieder nachts. Ende Juli ist es nicht mehr 24 Stunden hell, schon hat die Dämmerung eingesetzt. De Quervain läuft zurück auf die nächste Anhöhe. Kein Schlitten zu sehen. Sind sie alle in eine Spalte gestürzt? Hat eine Unachtsamkeit die Expedition so kurz vor dem Ziel ins Verderben geführt? Er weiß genau, wie schwer die Gespanne zu kontrollieren sind, wenn ein paar Hunde plötzlich auf die Idee kommen loszurennen. Alles rennt dann hinterher, in dieser abschüssigen Gegend wären sie kaum aufzuhalten.
    Der Firn ist jetzt ziemlich fest, de Quervain kann seine eigenen Spuren nicht mehr erkennen. Er ist allein. Allein in diesem Eislabyrinth, das zugleich beeindruckt und beängstigt. Aus den Spalten holt dich keiner mehr raus, wenn du abstürzt. Vielleicht macht gerade das die Faszination aus, doch einmal länger hinunterzublicken. Manchmal winden sich atemberaubende Traversen durch die Spalten, schmale Stege, die aus dem schwarzen Nichts entspringen, Überhänge, die eine sichere Passage nur vorgaukeln. Die langsame, aber unaufhaltsame Bewegung des gigantischen Eispanzers schafft Kunstwerke aus Kanälen und Canyons, die vergänglich sind wie der Mensch, der herunterblickt und den tiefsten Punkt nur vermuten kann.
    De Quervain irrt zwischen den Eisbuchten herum, brüllt und sucht nach seinen Mitstreitern. Ein paar Dutzend Meter entfernt macht er ein paar schwarze Punkte aus. Hoessly? Gaule? Nein, die dunklen Stellen entpuppen sie sich als düstere Wände von Eisstürzen. Er sieht noch den Fjord vor sich, also weiß er grob, aus welcher Richtung sie gekommen sind. Aber unendlich erscheinen die Optionen, sich über die Hochplateaus zwischen Spaltenfeldern vorzuarbeiten. Er läuft zurück, den Hang wieder hoch statt bergab. Ob er an seine Parole »Der Tod oder die Ostküste« denkt, als er nun im Dämmerlicht nach Westen stolpert? Bergauf ist er langsam auf seinen Holzbrettern, er hat weniger Übung auf Skiern als die anderen drei.
    Nach fast einer Stunde entdeckt er endlich zwei vertraute Linien im Weiß, etwa 50 Zentimeter auseinander: Schlittenspuren! De Quervain atmet auf. Er folgt den Spuren. Doch niemand ist zu sehen. Wenn die Linien plötzlich an einem Abgrund enden, ist alles vorbei. Solange sie weiterlaufen, ist alles gut.
    Endlich, eine weitere Stunde später: Die Punkte da vorne gehören nicht zur Landschaft! Je näher er kommt, desto größer ist die Gewissheit, dass er die Männer und Hunde gefunden hat. Die erwarten eine Schimpftirade, doch de Quervain bringt kaum ein Wort heraus, so erleichtert ist er.
    Kurz darauf erreicht die Gruppe das Felsgeröll

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