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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Wesens sich zu nacktester, bewußter Fülle entwickelt hatte, der Musiker als der absolute Faktor dieses Kunstwerkes mit unumschränkter Machtvollkommenheit, und der Geschmack des Theaterpublikums als die einzige Richtschnur für sein Verhalten anerkannt war. Sie war zu Ende, als jedes Vorgeben des Dramas bis zur Grundsätzlichkeit tatsächlich beseitigt, den singenden Darstellern die Ausübung unbedingtester und ohrgefälligster Gesangsvirtuosität als ihre einzige Aufgabe, und ihre hierauf begründeten Ansprüche an den Komponisten als ihr unveräußerlichstes Recht zuerkannt waren. Sie war zu Ende, als die große musikalische Öffentlichkeit unter der vollständig charakterlosen Melodie einzig den Inhalt der Musik, in dem losen Zusammenhange der Opertonstücke einzig das Gefüge der musikalischen Form, unter der narkotisch berauschenden Wirkung eines Opernabends einzig das Wesen der Musik ihrem Eindrucke nach allein noch begriff. Sie war zu Ende – an jenem Tage, als der von Europa vergötterte, im üppigsten Schoße des Luxus dahinlächelnde Rossini es für geziemend hielt, dem weltscheuen, bei sich versteckten, mürrischen, für halbverrückt gehaltenen Beethoven einen – Ehrenbesuch abzustatten, den dieser – – nicht erwiderte. Was mochte wohl das lüstern schweifende, dunkle Auge des wollüstigen Sohnes Italias gewahren, als es in den unheimlichen Glanz des schmerzlich gebrochenen, sehnsuchtsiechen – und doch todesmutigen Blickes seines unbegreiflichen Gegners unwillkürlich sich versenkte? Schüttelte sich ihm das furchtbar wilde Kopfhaar des Medusenhauptes, das niemand erschaute, ohne zu sterben? – So viel ist gewiß, mit Rossini starb die Oper. –
     
    Von der großen Stadt Paris aus, in der die gebildeten Kunstkenner und Kritiker noch heute nicht begreifen können, welch ein Unterschied zwischen zwei berühmten Komponisten wie Beethoven und Rossini stattfinden solle, als etwa der , daß dieser sein himmlisches Genie auf die Komposition von Opern, jener dagegen auf Symphonien verwandt habe – von diesem splendiden Sitze aller modernen Musikweisheit aus sollte dennoch der Oper noch eine verwunderliche Lebensverlängerung bereitet werden. Der Hang am Dasein ist urkräftig in allem, was da ist. Die Oper war einmal da, wie das Byzantinische Kaisertum, und ganz wie dieses wird sie bestehen, solange irgend die unnatürlichen Bedingungen vorhanden bleiben, die sie – innerlich tot – immer noch am Leben erhalten – bis endlich die ungezogenen Türken kommen, die einst schon dem Byzantinischen Reiche einmal ein Ende machten und so grob waren, in der prunkend heiligen Sophienkirche ihre wilden Rosse zur Krippe zu führen.
    Als Spontini mit sich die Oper für tot ansah, irrte er sich, weil er die »dramatische Richtung« der Oper für ihr Wesen hielt: er vergaß die Möglichkeit eines Rossini, der ihm vollkommen das Gegenteil beweisen könnte. Als Rossini mit bei weitem größerem Rechte die Oper mit sich für fertig hielt, so irrte er sich zwar weniger, weil er das Wesen der Oper erkannt, deutlich dargetan und zur allgemeinen Geltung gebracht hatte, und somit annehmen konnte, nur noch nachgeahmt, nicht aber mehr überboten zu werden. Dennoch täuschte aber auch er sich darüber, daß aus allen bisherigen Richtungen der Oper nicht eine Karikatur zusammengesetzt werden könnte, die nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern auch von kunstkritischen Köpfen als eine neue und wesentliche Gestalt der Oper aufgenommen sein dürfte; denn er wußte zur Zeit seiner Blüte noch nicht, daß es den Bankiers, für die er bis dahin Musik gemacht hatte, einmal einfallen würde, selbst auch zu komponieren.
    O wie ärgerte er sich, der sonst so leichtsinnige Meister, wie ward er bös und übelgelaunt, sich, wenn auch nicht an Genialität, doch in der Geschicklichkeit der Ausbeutung der öffentlichen Kunstnichtswürdigkeit übertroffen zu sehen! O wie war er der »dissoluto punito«, die ausgestochene Kurtisane, und von welchem ingrimmigen Verdrusse ob dieser Schmach war er erfüllt, als er dem Pariser Operndirektor, der ihn bei augenblicklich eingetretener Windstille einlud, den Parisern wieder etwas vorzublasen, antwortete, er würde nicht eher zurückkommen, als bis dort »die Juden mit ihrem Sabbat fertig wären«! – Er mußte erkennen, daß, solange Gottes Weisheit die Welt regiert, alles seine Strafe findet, selbst die Aufrichtigkeit, mit der er den Leuten gesagt hatte, was an der Oper wäre – und ward, um

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