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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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bestreiten zu wollen, was er in sich und seinem Vermögen gar nicht besitzt, und an dessen gemeinsamer Herstellung er nur teilnehmen kann, wenn es ihm aus dem eigentümlichen Vermögen eines anderen zugeführt wird. Bei diesem unnatürlichen Eifer, mit dem der Musiker seine Eitelkeit befriedigen, nämlich sein Vermögen in dem glänzenden Lichte eines unermeßlichen Könnens darstellen wollte, hat er dieses Vermögen, das in Wahrheit ein überaus reiches ist, bis zu der bettelhaften Armut herabgebracht, in der uns jetzt die Meyerbeersche Opernmusik erscheint. Im eigensüchtigen Streben, ihre engen Formen als alleingültige dem Drama aufzudringen, hat diese Opernmusik die ärmliche und belästigende Steifheit und Unergiebigkeit jener Formen bis zur Unerträglichkeit herausgestellt. In der Sucht, reich und mannigfaltig zu erscheinen, ist sie als musikalische Kunst zur vollsten geistigen Dürftigkeit herabgesunken, und zum Borgen von der materiellsten Mechanik hingedrängt worden. In dem egoistischen Vorgeben erschöpfender dramatischer Charakteristik durch bloß musikalische Mittel hat sie aber vollends alles natürliche Ausdrucksvermögen verloren und sich dafür zur fratzenhaften Possenreißerin herabgewürdigt. –
    Sagte ich nun zu Anfang, der Irrtum im Kunstgenre der Oper habe darin bestanden, »daß ein Mittel des Ausdrucks (die Musik) zum Zwecke, der Zweck des Ausdrucks (das Drama) aber zum Mittel gemacht war« – so müssen wir nun den Kern des Wahnes und endlich des Wahnsinnes , der den Kunstgenre der Oper in seiner vollsten Unnatürlichkeit, bis zur Lächerlichkeit dargetan hat, dahin bezeichnen,
daß jenes Mittel des Ausdruckes aus sich die Absicht des Dramas bedingen wollte .

[ VII ]
    Wir sind zu Ende – denn wir haben das Vermögen der Musik in der Oper bis zur Kundgebung ihres gänzlichen Unvermögens verfolgt.
    Wenn wir heutzutage von Opernmusik im eigentlichen Sinne reden, sprechen wir nicht mehr von einer Kunst, sondern von einer bloßen Modeerscheinung. Nur der Kritiker, der nichts von drängender künstlerischer Notwendigkeit in sich fühlt, vermag noch Hoffnungen oder Zweifel über die Zukunft der Oper auszusprechen; der Künstler selbst, sobald er sich nicht zum Spekulanten auf das Publikum herabwürdigt, bezeugt dadurch, daß er neben der Oper hin sich Auswege sucht und hierbei namentlich auf die nachzusuchende energische Teilnahme des Dichters verfällt, daß er die Oper selbst bereits für tot hält.
    Hier aber, in dieser nachzusuchenden Teilnahme des Dichters , treffen wir auf den Punkt, über den wir zu voller, tagesheller, bewußter Klarheit gelangen müssen, wenn wir das Verhältnis zwischen Musiker und Dichter in seiner wirklichen gesunden Natürlichkeit erfassen und feststellen wollen. Dieses Verhältnis muß ein dem bisher gewohnten vollkommen entgegengesetztes sein, so gänzlich verändert, daß der Musiker zu seinem eigenen Gedeihen nur dann in ihm sich zurechtfinden wird, wenn er alle Erinnerung an die alte unnatürliche Verbindung aufgibt, deren letztes Band ihn immer wieder in den alten unfruchtbaren Wahnsinn zurückziehen müßte.
    Um uns dies einzugehende gesunde und einzig gedeihliche Verhältnis vollkommen deutlich zu machen, müssen wir vor allem das Wesen unserer heutigen Musik uns nochmals, gedrängt aber bestimmt, vorführen. –
     
    Wir werden am schnellsten zu einem klaren Überblicke gelangen, wenn wir das Wesen der Musik kurz und bündig in den Begriff der Melodie zusammenfassen.
    Wie das Innere wohl der Grund und die Bedingung für das Äußere ist, in dem Äußeren sich aber erst das Innere deutlich und bestimmt kundgibt, so sind Harmonie und Rhythmos wohl die gestaltenden Organe, die Melodie aber ist erst die wirkliche Gestalt der Musik selbst. Harmonie und Rhythmos sind Blut, Fleisch, Nerven und Knochen mit all dem Eingeweide, das gleich jenen beim Anblicke des fertigen, lebendigen Menschen dem beschauenden Auge verschlossen bleibt; die Melodie dagegen ist dieser fertige Mensch selbst, wie er sich unserem Auge darstellt. Beim Anblicke dieses Menschen betrachten wir einzig die schlanke Gestalt, wie sie in der formgebenden Abgrenzung der äußeren Hauthülle sich uns ausdrückt; wir versenken uns in den Anblick der ausdrucksvollsten Äußerung dieser Gestalt in den Gesichtszügen, und haften endlich beim Auge, der lebenvollsten und mitteilungsfähigsten Äußerung des ganzen Menschen, der durch dieses Organ, das sein Mitteilungsvermögen wiederum nur aus der

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