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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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hoffen. Der Meister dieser liebenswürdigen, aber aller Innerlichkeit, alles Haftes der Seele entbehrenden Kunst, war Ariosto .
    Je weniger aber, nach ungeheuren Ausschweifungen, diese schimmernden Gemälde der Phantasie den inneren Menschen wiederum zu zerstreuen vermochten, je mehr dieser Mensch unter dem Drucke politischer und religiöser Gewaltsamkeiten zur Kraftanstrengung eines Gegendruckes aus seinem inneren Wesen selbst gedrängt wurde, desto deutlicher erkennen wir auch in der vorliegenden Dichtungsart das Streben ausgesprochen, der Masse des vielartigen Stoffes von innen heraus Herr zu werden, seiner Gestaltung einen festen Mittelpunkt zu geben, und diesen Mittelpunkt als Achse des Kunstwerkes aus der eigenen Anschauung, aus dem festen Wollen eines Etwas, in dem sich das innere Wesen ausspricht, zu entnehmen. Dieses Etwas ist der Gebärungsstoff der neueren Zeit, die Verdichtung des individuellen Wesens zu einem bestimmten künstlerischen Wollen. Aus der ungeheuer Masse der äußeren Erscheinungen, wie sie vorher dem Dichter sich nicht bunt und vielartig genug darstellen konnten, werden nun die unter sich verwandten Bestandteile gesondert, die Mannigfaltigkeit der Momente zur bestimmten Zeichnung des Charakters der Handelnden verdichtet. Wie unendlich wichtig für alle Untersuchung des Wesens der Kunst ist es nun, daß dieser innerliche Drang des Dichters, wie wir es deutlich vor uns sehen, sich endlich nur dadurch zu befriedigen vermochte, daß er auch zur bestimmtesten Äußerung durch die unmittelbare Darstellung an die Sinne gelangte, mit einem Worte, daß der Roman zum Drama wurde ! Die Bewältigung des äußeren Stoffes zur Kundgebung der inneren Anschauung von dem Wesen dieses Stoffes konnte nur dann gelingen, wenn der Gegenstand selbst in überzeugendster Wirklichkeit den Sinnen vorgeführt wurde, und dies war eben nur im Drama zu ermöglichen.
    Das Drama des Shakespeare ist mit vollster Notwendigkeit aus dem Leben und unserer geschichtlichen Entwickelung hervorgegangen: seine Schöpfung war so aus der Natur unserer Dichtkunst bedingt, wie das Drama der Zukunft ganz naturgemäß aus der Befriedigung der Bedürfnisse geboren werden wird, die das Shakespearesche Drama angeregt, noch nicht aber gestillt hat.
    Shakespeare , den wir uns hier immer im Vereine mit seinen Vorgängern und nur als deren Haupt denken müssen, verdichtete den erzählenden Roman zum Drama, indem er ihn gewissermaßen für die Darstellung auf der Schaubühne übersetzte. Die vorher von der redend erzählenden Poesie nur geschilderten menschlichen Handlungen ließ er nun von wirklich redenden Menschen, die für die Dauer der Darstellung in Aussehen und Gebärde mit den darzustellenden Personen des Romanes sich identifizierten, Auge und Ohr zugleich vorführen. Er fand hierzu eine Schaubühne und Schauspieler vor, die bis dahin als unterirdisch verborgene, heimlich aber immer noch fortrieselnde Quellader des wirklichen Volkskunstwerkes dem Auge des Dichters sich entzogen hatten, von seinem sehnsüchtig suchenden Blicke aber schnell entdeckt wurden, als die Not ihn zu ihrer Auffindung trieb. Das Charakteristische dieser Volksschaubühne war aber, daß die Schau spieler, die daher sich auch vorzugsweise so nannten, auf ihr dem Auge , und absichtlich gerade fast nur dem Auge sich mitteilten. Ihre Darstellungen auf freiem Platze vor der weithin ausgedehnten Menge konnten lediglich fast nur durch die Gebärde wirken, und in der Gebärde sprechen sich deutlich eben nur Handlungen, nicht aber – sobald die Sprache fehlt – die inneren Motive dieser Handlungen aus, so daß das Spiel dieser Darsteller seiner Natur nach ebenso von grotesker, massenhaft gehäufter Handlung strotzte als der Roman, dessen zerstreute Vielstoffigkeit der Dichter eben zusammenzudrängen sich bemühte. Der Dichter, der diesem Volksschauspiele zusah, mußte finden, daß aus Mangel einer verständlichen Sprache dieses zu eben der ungeheuerlichen Vielhandligkeit gedrängt sei wie der erzählende Romandichter durch die Unfähigkeit, seine geschilderten Personen und Vorgänge wirklich darzustellen. Er mußte den Schauspielern zurufen: »Gebt mir eure Bühne, ich gebe euch meine Rede, so ist uns beiden geholfen!«
    Wir sehen nun vom Dichter zugunsten des Dramas die Volksschaubühne zum Theater verengen. Ganz so wie die Handlung selbst durch deutliche Darlegung der Beweggründe, die sie hervorrufen, zu bestimmten wichtigsten Momenten derselben zusammengedrängt werden

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