Operation Amazonas
Nate hielt mit einer Hand seine Schrotflinte umklammert. Alle warteten, während ihnen der Schweiß in die Augen troff und ihnen der Mund austrocknete. Die Kaimane, erkennbar nur an den Wasserkräuselungen, umkreisten unaufhörlich die Flöße.
»Wie lange können die eigentlich die Luft anhalten?«, fragte Carrera.
»Stundenlang«, antwortete Nate.
»Warum greifen sie nicht an?«, meinte Okamoto.
Manny beantwortete die Frage. »Sie wissen nicht, was sie von uns halten sollen und ob wir essbar sind.«
Der Ranger asiatischer Abstammung verzog angewidert das Gesicht. »Hoffen wir, dass sie es nie herausfinden werden.«
Das Warten zog sich hin. Die Schwüle wurde immer drückender.
»Wie wär’s, wenn wir eine Granate abfeuern würden?«, schlug Carrera vor. »Um sie von uns abzulenken.«
»Ich weiß nicht, ob das etwas nützen würde. Vielleicht würde sie das bloß so sehr reizen, dass sie nach allem schnappen, was sich bewegt, zum Beispiel nach uns.«
Als Zane auf dem anderen Floß einen Vorschlag machte, bekam auch Nate ihn mit. »Ich finde, wir sollten ein paar Sprengkörper am Jaguar festbinden und ihn ins Wasser werfen. Wenn sich ein Krokodil drüber hermacht, zünden wir die Bombe.«
Nate schauderte bei der Vorstellung. Manny war entsetzt. Die anderen aber schauten eher nachdenklich drein.
»Selbst wenn das klappen sollte, bliebe immer noch sein Partner übrig«, sagte Nate. »Und der würde rasend werden und die Flöße angreifen. Wir können bloß hoffen, dass sie irgendwann das Interesse an uns verlieren und wegschwimmen. Dann können wir weiterpaddeln.«
Waxman wandte sich an Corporal Yamir, den Sprengstoffexperten. »Damit es den Krokodilen nicht langweilig wird, sollten wir etwas zur Unterhaltung vorbereiten. Machen Sie zwei Napalmbomben scharf.«
Der Corporal nickte und beugte sich über seinen Rucksack.
Das Warten ging weiter. Die Minuten dehnten sich.
Dann spürte Nate, wie das Floß unter seinen Knien erbebte: Einer der Kaimane rieb seinen dicken Schwanz an der Unterseite. »Festhalten!«
Auf einmal bockte das Floß. Das Heck wurde hoch emporgeschleudert. Die Insassen klammerten sich wie Spinnen an den Bambusstangen fest. Lose Gegenstände fielen platschend in den See. Dann krachte das Floß wieder aufs Wasser, und alle wurden durchgeschüttelt.
»Alle okay?«, schrie Nate.
Halblaut wurden Rückmeldungen gegeben.
»Ich habe mein Gewehr verloren«, sagte Okamoto mit zornigem Blick.
»Besser das Gewehr als Sie«, meinte Kouwe bedrückt.
Nate hob die Stimme. »Sie werden dreister!«
Okamoto fischte einen Rucksack aus dem Wasser. »Meine Ausrüstung.«
»Corporal!«, rief Nate. »Lassen Sie das!«
Okamoto erstarrte augenblicklich. »Scheiße …« Er hielt bereits einen Rucksackriemen in der Hand und machte Anstalten, den Rucksack an Bord zu ziehen.
»Lassen Sie den Rucksack«, sagte Nate. »Gehen Sie weg vom Rand.«
Der Corporal ließ den Rucksack ins Wasser fallen und riss den Arm zurück.
Doch er war zu langsam.
Der Monsterkaiman schnellte mit aufgerissenem Maul aus der Tiefe, seine Schuppen vor Wasser triefend, und schoss gut drei Meter hoch aus dem Sumpf hervor, ein Turm von Panzerplatten und unterarmlangen Zähnen. Der brüllende Ranger wurde emporgerissen und in die Luft geschleudert. Als sich die gewaltigen Kiefer schlossen, war das Knacken der Knochen deutlich zu hören. Okamotos Gebrüll verwandelte sich in ein angstvolles und ungläubiges Winseln.
»Feuern!«, befahl Waxman.
Nate war so geschockt, dass er sich nicht bewegen konnte. Carrera feuerte ihr M-16 ab. Der Bauch des riesigen Kaimans wurde von einem Kugelhagel getroffen, doch die gelblichen Bauchschuppen waren so widerstandsfähig wie Kevlar. Obwohl die Schüsse aus nächster Nähe abgefeuert wurden, richteten sie anscheinend kaum Schaden an. Die Augen, die Schwachpunkte des Urweltriesen, befanden sich auf der abgewandten Seite.
Nate riss die Schrotflinte hoch, zielte über Mannys Kopf hinweg und drückte ab. Die Schrotladung ging ins Leere, denn das Tier versank bereits wieder im Wasser. Ein sinnloser Schuss, eine reine Panikreaktion.
Der Kaiman war verschwunden. Okamoto war verschwunden.
Alle waren starr vor Entsetzen.
Nates Floß schaukelte leicht im Kielwasser des Kaimans. Er starrte auf die Stelle, an der der Ranger verschwunden war: Okamoto mit seinem verdammten Gepfeife. Das Wasser färbte sich allmählich rot.
Blut im Wasser … jetzt wussten die Monster, dass es hier etwas zu holen gab.
Kelly hockte mit ihrem Bruder in der
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