Operation Amazonas
bin jetzt seit fast zwanzig Jahren Professor für Indianerforschung. Ich bin im Dschungel aufgewachsen.« Seine Stimme wurde leiser und war erfüllt von Schmerz. »Ich hätte es wissen müssen … der Corporal … seine Schreie …«
Nate legte Kouwe die Hand auf die Schulter. »Professor, Sie haben uns mit dem Tok-tok-Pulver das Leben gerettet.«
»Nicht allen.« Kouwe zog an der Pfeife und stieß den Rauch aus. »Ich hätte daran denken sollen, das Ban-ali-Zeichen vor unserem Aufbruch anzuzünden. Dann wäre der junge Corporal jetzt noch am Leben.«
Nate schlug einen energischen Ton an, um Kouwe von seinen Selbstvorwürfen abzubringen. »Sie gehen zu hart mit sich ins Gericht. Keine noch so umfassenden Studien konnten Sie auf die Ban-ali und deren biologische Angriffe vorbereiten. Etwas Derartiges wurde bislang noch nicht dokumentiert.«
Kouwe nickte, doch Nate spürte, dass der Mann noch immer nicht überzeugt war.
»Wir brechen auf!«, rief Captain Waxman vom Ufer her. »Fünf Mann auf jedes Floß!« Er teilte Ranger und Zivilisten entsprechend ein.
Nate landete zusammen mit Kouwe, Manny und Tor-tor auf einem Floß. Ihnen waren Corporal Okamoto und Private Carrera zugeteilt. Sie mussten bis zum Floß waten. Als Nate hinaufkletterte, fiel ihm auf, wie stabil es gebaut war. Er half Manny dabei, die große Raubkatze aufs schwankende Floß zu schaffen.
Tor-tor gefiel es nicht, dass er nass wurde. Während sich der Jaguar das Sumpfwasser aus dem Fell schüttelte, nahmen die anderen Expeditionsteilnehmer ihre Plätze ein.
Auf dem Nachbarfloß standen Kelly und Frank zusammen mit Captain Waxman und den Corporals Warczak und Yamir. Die letzten fünf Mitfahrer kletterten aufs dritte Floß. Olin reckte den Rucksack mit der Satellitenausrüstung über den Kopf empor. Richard Zane und Anna Fong halfen ihm an Bord, flankiert vom stoischen Tom Graves und dem finster dreinblickenden Sergeant Kostos.
Als alle an Bord waren, stießen sie sich mit Bambusstangen vom Ufer ab und bugsierten die Flöße durchs seichte Wasser. Das Ufer fiel jedoch steil ab. Nach etwa dreißig Metern reichten die Stangen nicht mehr bis zum Grund, und sie mussten zu den Paddeln greifen. Da pro Floß vier Paddel zur Verfügung standen, konnte jeweils einer aussetzen und sich ausruhen. Sie beabsichtigten, zügig und ohne Pause überzusetzen.
Nate hockte an der Steuerbordseite des Floßes, während sich die kleine Flottille langsam vom Ufer entfernte. Das ferne Tosen von Wasserfällen hallte gedämpft und bedrohlich über den Sumpfsee. Nate beschattete die Augen. Das Hochland war noch immer in Nebel gehüllt: eine Mischung aus grünem Dschungel, roten Felswänden und aufgewirbeltem Gischt. Als Ziel hatten sie einen schmalen Einschnitt zwischen zwei hoch aufragenden Tafelbergen ins Auge gefasst, einen nebelverhangenen Eingang ins Hochland. Diese Richtung hatte ihnen Clarks letzte Nachricht gewiesen.
Ihre Anwesenheit blieb nicht unbemerkt. Ein schneeweißer Silberreiher strich dicht über die Wasseroberfläche hinweg an ihnen vorbei. Frösche sprangen mit lautem Platschen von sumpfigen Erhebungen, und Hoatzin-Vögel, die wie eine hässliche Kreuzung aus Truthahn und Pterodactylus aussahen, krächzten laut, als sie an kleinen Inseln vorbeikamen, in deren Palmkronen die Tiere nisteten. Die einzigen Sumpfbewohner, die sich über ihre Anwesenheit zu freuen schienen, waren die Mückenschwärme, die frohlockend über die schwimmende Mahlzeit herfielen.
»Verdammte Plagegeister«, nörgelte Manny, sich auf den Hals klatschend. »Ich bin’s Leid, dass sich die Viecher bei mir bedienen.«
Zu allem Überdruss begann Okamoto auch wieder zu pfeifen, tonlos und ohne das geringste Rhythmusgefühl.
Nate seufzte. Die Überfahrt würde beschwerlich werden.
Nach einer Stunde verschwanden die sumpfigen Inseln. In der Mitte des Sumpfes war der Dschungel fast vollständig überflutet. Nur hin und wieder schaute eine zumeist baumlose Erhebung aus der glatten Wasserfläche hervor.
Die sengende Sonne brannte unbarmherzig auf sie herab.
»Das ist ja wie in einer Sauna«, meinte Carrera von der Backbordseite her.
Nate musste ihr beipflichten. Es war drückend schwül, man bekam kaum noch Luft. Als sich Erschöpfung breit machte, wurden sie langsamer. Immer wieder wurden Feldflaschen herumgereicht. Selbst Tor-tor lag hechelnd in der Mitte des Floßes, alle viere von sich gestreckt.
Ihr einziger Trost war, dass sie vorübergehend der Umklammerung des Dschungels entronnen waren. Der
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