Operation Amazonas
machte ihm noch immer zu schaffen. »Der Funkspruch war dermaßen verrauscht, dass der Sprecher nicht zu identifizieren war. Vielleicht war es Agent Clark.« Insgeheim aber wusste Nathan, dass es sein Vater gewesen war. Er hatte sich den letzten Funkspruch immer wieder und wieder angehört. Die letzten Worte seines Vaters.
Nathan blickte die auf dem Schreibtisch verstreuten Fotos und Dokumente an. »In den folgenden drei Monaten suchten die Teams das ganze Gebiet ab, aber Unwetter und Überschwemmungen erschwerten ihnen das Vorankommen. Es ließ sich nicht mehr feststellen, in welche Richtung sich das Forschungsteam meines Vaters bewegt hatte, ob nach Osten, Westen, Norden oder Süden.« Er zuckte die Schultern. »Wir suchten in einem Gebiet, das größer war als der Bundesstaat Texas. Schließlich gaben alle auf.«
»Bloß Sie nicht«, meinte Kelly leise.
Nathan ballte die Fäuste. »Und das hat wirklich viel gebracht. Es kam kein einziger weiterer Kontakt mehr zustande.«
»Bis jetzt«, sagte Kelly. Sie drehte ihn behutsam herum und zeigte auf einen kleinen roten Kreis, den er bislang übersehen hatte. Der Kreis lag etwa zweihundert Meilen südlich von São Gabriel, in der Nähe des Jarur, eines kleinen Nebenflusses des Solimões, des großen südlichen Nebenflusses des Amazonas. »Hier liegt die Mission Wauwai, wo Agent Clark verstorben ist. Dorthin brechen wir morgen auf.«
»Und was dann?«
»Wir folgen Gerald Clarks Spur. Im Unterschied zu früheren Suchtrupps haben wir nämlich einen Vorteil.«
»Und der wäre?«, fragte Manny.
Nathan, der sich neben der Karte an die Wand gelehnt hatte, ergriff das Wort. »Die trockene Jahreszeit nähert sich dem Ende. Seit einem Monat hat es in dieser Gegend keine stärkeren Regenfälle mehr gegeben.« Er blickte über die Schulter. »Daher sollte es uns möglich sein, seinen Weg zurückzuverfolgen.«
»Das ist der Grund, weshalb wir uns so beeilen.« Frank erhob sich. Mit einer Hand stützte er sich an der Wand ab und wies mit dem Kinn auf die Karte. »Wir wollen den Spuren folgen, ehe die Regenzeit beginnt und alle Hinweise fortspült. Außerdem hoffen wir, dass Agent Clark so umsichtig war, Zeichen anzubringen – zum Beispiel in Form von Baummarkierungen oder aufgehäuften Steinen –, die uns zu dem Ort führen könnten, an dem er die vergangenen vier Jahre über festgehalten wurde.«
Frank wandte sich zum Schreibtisch um und schob ein gefaltetes Blatt Papier in die Mitte. »Zusätzlich nehmen wir Anna Fong mit, damit wir uns mit den Eingeborenen verständigen können; mit Bauern, Indianern, Fallenstellern, mit wem auch immer. Damit wir sie fragen können, ob sie einen Mann mit diesen Tätowierungen gesehen haben.« Er faltete das Papier auseinander und strich es glatt. »Dies sind die Tätowierungen auf Agent Clarks Brust und Bauch. Wir hoffen, auf Menschen zu stoßen, denen ein Mann mit diesen Zeichen aufgefallen ist.«
Professor Kouwe zuckte zusammen.
Seine Reaktion blieb nicht unbemerkt.
»Was haben Sie?«, fragte Nathan.
Kouwe deutete auf das Blatt Papier. Darauf war eine komplizierte Schlangenlinie abgebildet, die spiralförmig von einem stilisierten Handabdruck ausging.
»Das ist schlimm. Sehr schlimm.« Kouwe holte die Pfeife aus der Tasche, dann blickte er Frank fragend an.
Der Rotschopf nickte.
Kouwe zog einen Beutel hervor und stopfte die Pfeife mit Tabak aus der Region, dann zündete er sie mit einem einzigen Streichholz an. Nathan fiel auf, dass seine Finger untypischerweise zitterten.
»Was ist das?«
Kouwe paffte an der Pfeife, dann antwortete er bedächtig: »Das ist das Symbol der Ban-ali. Der Blutjaguare.«
»Sie kennen den Stamm?«, fragte Kelly.
Der Schamane stieß eine Qualmwolke aus und seufzte, dann schüttelte er den Kopf. »Niemand kennt diesen Stamm. Davon erzählen flüsternd die Stammesältesten und reichen die Geschichten von Generation zu Generation weiter. Mythen eines Stammes, dessen Angehörige sich mit Jaguaren paaren und sich in Luft auflösen können. Wem sie begegnen, dem bringen sie den Tod. Es heißt, sie wären so alt wie der Wald und sogar der Dschungel unterwerfe sich ihrem Willen.«
»Aber ich habe noch nie von ihnen gehört«, meinte Nathan, »obwohl ich mich schon mit allen möglichen Stämmen des Amazonasgebiets beschäftigt habe.«
»Dr. Fong, die Anthropologin von Tellux, kennt das Zeichen auch nicht«, sagte Frank.
»Das wundert mich nicht. Ganz gleich, wie sehr man sie akzeptiert, werden Außenstehende
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