Operation Amazonas
aus nicht einmal zehn Metern Abstand. Es war gewaltig, ein Wesen aus einer anderen Zeit. »Er ist wunderschön.«
»Ein Bulle, nicht wahr?«, sagte Anna Fong mit staunend geweiteten Augen.
»Den Graten und der Form der Nüstern nach zu schließen, ja.«
»Psst!«, machte Frank.
»Er bewegt sich!«, rief Kelly und rutschte zur anderen Bootsseite hinüber. Richard Zane folgte ihrem Beispiel.
Der gepanzerte Kopf schwenkte langsam herum, folgte dem Boot.
»Er wacht auf«, meinte Frank.
»Er hat gar nicht geschlafen«, widersprach ihm Nate, als sie unbehelligt vorbeiglitten. »Er ist bloß ebenso neugierig wie wir.«
»Ich bin kein bisschen neugierig«, sagte Frank, froh darüber, das Monster endlich passiert zu haben. »Meinetwegen kann er meinen behaarten –«
Plötzlich schoss der große Kaiman blitzschnell über den Uferschlamm hinweg und verschwand im braunen Wasser. Das dritte Boot war gleichauf mit ihm. Die Soldaten feuerten ein paar Schüsse ab. Die Geschwindigkeit und die plötzliche Bewegung des Krokodils hatten sie jedoch überrascht. Als die Kugeln in den Ufermorast einschlugen, war es bereits verschwunden.
»Aufhören!«, rief Nate. »Er flüchtet bloß!« Wenn er kein Nest zu beschützen hatte, neigte ein Kaiman dazu, vor allem Unbekannten zu fliehen – es sei denn, er wurde gereizt … oder bedroht.
Einer der Ranger, ein hoch gewachsener farbiger Corporal namens Rodney Graves, richtete sich im Boot in gebückter Haltung auf und musterte mit vorgehaltener Waffe das Wasser. »Ich seh ihn nicht –«
Es geschah blitzschnell. Das Bootsende wurde einen knappen Meter angehoben. Nate sah kurz den dicken, geschuppten Schwanz. Der stehende Soldat stürzte kopfüber ins Wasser. Die anderen hielten sich an den Handgriffen fest. Das Boot klatschte wieder ins Wasser.
Der Corporal tauchte aus dem Wasser auf, von der Strömung bereits zehn Meter von den Booten abgetrieben. Den Hut hatte er verloren, hielt aber noch die Waffe in der Hand. Er begann, aufs nächste Boot zuzuschwimmen.
Hinter ihm tauchte wie ein aufsteigendes U-Boot der Kopf des Kaimans aus dem Wasser, die Augen zwei Periskope.
Die Ranger brachten ihre Gewehre in Anschlag. Ehe jedoch der erste Schuss abgefeuert wurde, tauchte der Kaiman wieder ab.
Nate sah im Geiste vor sich, wie das riesige Tier mit peitschendem Schwanz in der schlammigen Tiefe auf den Soldaten zuhielt, magisch angezogen von dessen zappelnden Beinen. »Verdammt«, murmelte er, dann brüllte er aus vollem Halse: »Corporal Graves! Nicht bewegen! Machen Sie keine Schwimmbewegungen mit den Beinen!«
Der Soldat hörte ihn nicht. Mittlerweile schrien alle auf den Mann ein, er solle sich beeilen. In seiner Panik paddelte er um so heftiger mit den Beinen. Captain Waxman wendete das Boot und hielt auf den Schwimmer zu.
»Hören Sie auf zu schwimmen!«, brüllte Nate. Schließlich warf Nate – eher aus Frustration darüber, nicht gehört zu werden, denn aus Tapferkeit – das Gewehr beiseite und sprang in den Fluss. Mit offenen Augen glitt er durchs Wasser. In der schlammigen Tiefe konnte er jedoch nicht weit sehen. Er vollführte einen kräftigen Schwimmzug mit Armen und Beinen, dann ließ er sich vom eigenen Schwung und der Strömung weitertragen. Im Wasser hörte er deutlich den Motor des hinteren Bootes, das links an ihm vorbeizog.
Er tauchte auf. Rodney Graves befand sich lediglich einen Meter zu seiner Rechten. »Corporal Graves! Hören Sie auf, mit den Beinen zu treten! Sie müssen sich tot stellen.« Nate achtete darauf, sich nicht zu bewegen. Er trieb auf dem Rücken.
Der Soldat wandte sich ihm zu, die Augen von Panik geweitet. »Verdammte … Scheiße!«, schrie er, nach Atem ringend. Er schlug weiter um sich und trat mit den Beinen. Das Boot war nurmehr drei Meter entfernt. Es streckten sich bereits Hände aus, um ihn an Bord zu ziehen.
Nate nahm in der Nähe eine Bewegung wahr, eine plötzliche Gegenströmung. Sie schob sich zwischen ihn und den Corporal. Etwas Großes, Schnelles.
O nein …
»Graves!«, brüllte er ein letztes Mal.
Einer der Ranger – Nate erkannte den Bruder des Schwimmers, Thomas Graves – beugte sich weit aus dem Schlauchboot heraus. Zwei seiner Kameraden hielten ihn am Gürtel fest. Tom reckte beide Arme vor, alle Muskeln angespannt, sein Gesicht eine Grimasse der Angst.
Rodney trat mit den Beinen und streckte die Finger aus.
Tom bekam seine Hand zu fassen. »Hab ihn!«, schrie er. Seine Armmuskeln spannten sich an wie Drahtseile.
Die beiden Soldaten zogen Tom
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