Operation Amazonas
Indianer. Die sind hier zu Hause. Sie verstehen es, jemandem unbemerkt zu folgen.«
»Die Yanomami.«
»Durchaus möglich«, sagte Kouwe.
Nate hörte die Skepsis aus seinem Tonfall heraus. »Wer sollte es sonst sein?«
Kouwe kniff die Augen zusammen. »Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, wir sollten vorsichtiger sein. Ein guter Fährtensucher würde keine solchen Spuren hinterlassen. Für einen Indianer ist das beinahe zu unachtsam.«
»Aber Sie sind selbst Indianer. Einem Weißen wären die Spuren bestimmt nicht aufgefallen, nicht einmal den Rangern.«
»Mag sein.« Kouwe schien noch immer nicht überzeugt.
»Wir sollten Captain Waxman informieren.«
»Deshalb habe ich dich beiseite genommen. Sollen wir das wirklich tun?«
»Was meinen Sie damit?«
»Falls wir tatsächlich von Indianern verfolgt werden, sollten wir die Lage nicht dadurch verschärfen, dass die Ranger den Busch durchkämmen. Die Indianer oder wer auch immer sonst hier herumlungert, würde einfach verschwinden. Wenn wir Kontakt mit ihnen aufnehmen wollen, sollten wir sie auf uns zukommen lassen. Ihnen Gelegenheit geben, sich an unsere Fremdheit zu gewöhnen. Ihnen den ersten Schritt überlassen.«
Nates erster Impuls war, sich gegen eine solche Vorsicht auszusprechen. Nach so vielen Jahren drängte es ihn, eine Erklärung für das Verschwinden seines Vaters zu finden. Geduldig zu sein, fiel ihm schwer. Bald würde die Regenzeit beginnen. Der Regen würde alle Spuren Gerald Clarks und damit auch sämtliche Hoffnungen mit sich fortspülen.
Andererseits hatte ihm der Angriff des schwarzen Kaimans wieder in Erinnerung gerufen, dass der Amazonas hier König war. Man musste sich seinem Rhythmus anpassen. Wer sich dagegen auflehnte, forderte die Niederlage heraus. Der beste Weg zum Überleben war, sich mit der Strömung treiben zu lassen.
»Ich glaube, wir sollten noch ein paar Tage warten«, fuhr Kouwe fort. »Erstens, um herauszufinden, ob ich mit meiner Vermutung Recht habe. Vielleicht waren es wirklich bloß irgendwelche Tiere. Aber falls ich Recht habe, würde ich den Indianern gern Gelegenheit geben, von sich aus Kontakt mit uns aufzunehmen, anstatt dass wir sie mit vorgehaltener Waffe aufschrecken. Dann würden wir nämlich nichts von ihnen erfahren.«
Nate stimmte ihm schließlich zu, jedoch mit einer Einschränkung. »Wir warten noch zwei Tage. Dann weihen wir noch jemanden ein.«
Kouwe nickte und schaltete die Taschenlampe aus. »Wir sollten uns allmählich schlafen legen.«
Sie gingen zurück zu den beiden rot glimmenden Lagerfeuern. Nate dachte über die Äußerungen des Schamanen nach. Er sah wieder vor sich, wie Kouwe die Augen zusammengekniffen hatte, als er fragte, ob dies Indianer wären. Wer sollte es sonst sein?
Im Lager angekommen, stellte er fest, dass die meisten sich bereits schlafen gelegt hatten. Am Rand des Lagers patrouillierten zwei Soldaten. Kouwe wünschte ihm eine gute Nacht und begab sich zu seiner von einem Moskitonetz umhüllten Hängematte. Als Nate die Stiefel wegkickte, vernahm er aus Frank O’Briens Hängematte ein gedämpftes Stöhnen. Nach der Tragödie dieses Tages war er bestimmt nicht der Einzige, der von Albträumen geplagt wurde.
Nate kletterte in die Hängematte und legte den Arm über die Augen, um nicht vom Feuerschein geblendet zu werden. Ob es einem behagte oder nicht, gegen den Amazonas konnte man nicht ankämpfen. Er hatte seinen eigenen Rhythmus, seine eigenen Begierden. Man konnte bloß hoffen, dass man nicht als nächstes Opfer auserkoren war. Mit diesen Überlegungen beschäftigt, brauchte Nate lange zum Einschlafen. Sein letzter Gedanke: Wer würde der Nächste sein?
Corporal Jim DeMartini entwickelte allmählich einen Hass auf den Dschungel. Nach vier Tagen Flussfahrt war ihm der ganze verdammte Urwald zuwider: die ewige Schwüle, die Stechfliegen, die Mücken, das ständige Lärmen der Affen und Vögel. Obendrein wuchs überall der Schimmel – auf den Kleidern, den Hängematten, den Rucksäcken. Seine Ausrüstung stank bereits wie durchschwitzte Trainingssocken, die einen Monat lang im Spind gelegen hatten. Und das schon nach vier Tagen.
Für den Patrouillendienst eingeteilt, stand er nahe der Latrine im Wald und lehnte sich an einen Baum, das M-16 bequem in der Armbeuge. Jorgensen, sein Partner, war gerade auf der Latrine. DeMartini hörte, wie er pfeifend den Reißverschluss seiner Hose öffnete.
»Prima Zeitpunkt zum Scheißen«, grummelte DeMartini. Jorgensen hatte ihn gehört. »Das kommt
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