Operation Beirut
sogar.»
«Macht Ihnen das nicht zu schaffen?»
«Wie meinen Sie das?»
«Macht es Ihnen nicht zu schaffen, mit einem Terroristen zusammenzuarbeiten?»
«Oh», meinte Stone.
Er drehte sich um und starrte aus dem Fenster.
«Lassen Sie mich Ihnen Ihre Frage ganz offen beantworten, und Sie vergessen dafür, dass ich das jemals gesagt habe. Moral als Abstraktum ist ein zu großes Problem, als dass ich damit zurande käme. Ich überlasse sie den Moralphilosophen. Wovon ich etwas verstehe, ist die Praxis, das Leben amerikanischer Bürger zu schützen. Ich zweifle nicht daran – absolut nicht –, dass die Beziehung, die wir da eben eingegangen sind, diesem Zweck dienen wird. Alles andere ist mir zu kompliziert.»
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Teil VIII
Juni–November 1972
Kapitel 35 Tel Aviv; Juni 1972
Von seinem Schreibtisch im Hauptquartier des Mossad aus hatte Yakov Levi einen Blick auf die chaotische Stadtlandschaft von Tel Aviv. Das Mossad-Gebäude stand im Zentrum von Tel Aviv in der Nähe des alten Haifaer Bahnhofs, inmitten des Lärms und des Durcheinanders der Stadt. Levi war dabei, sich in seiner neuen Aufgabe als Offizier im Innendienst einzurichten, die darin bestand, Informationen über die palästinensischen Guerillas zusammenzutragen. Er genoss seine Versetzung noch immer in vollen Zügen. Er war ein Held. Er hatte ein eigenes Büro. Er war zu Hause.
Levi sonnte sich in der Gewöhnlichkeit seines neuen Lebens. In Beirut war er jeden Tag aufgezäumt wie eine Weihnachtsgans mit Seidenkrawatte und Geschäftsanzug ins Büro gegangen. Hier trug er ein Hemd mit offenem Kragen, weite Gabardinehosen und im Sommer Sandalen. Auch sein Körper schien sich zu entspannen. Sogar sein Haar wurde wieder weicher und lockerer, als die verkniffenen drahtigen Kringel aus Beirut sich lösten. Und auch der Knoten in seinem Magen schien sich zu lösen; er brauchte keine Magenpillen mehr zu schlucken. Tag und Nacht sprach er hebräisch und schwelgte darin. Wenn eben eingetroffene Einwanderer sich auf der Straße auf Englisch oder Französisch an ihn wandten, gab er vor, sie nicht zu verstehen.
Zur Mittagszeit machte Levi gerne ausgedehnte Spaziergänge. Für gewöhnlich ging er vom Hauptquartier des Mossad aus die Arlosoroff-Straße in Richtung Meer. Er kreuzte die Dizengoff-Straße, in der viele der besten Geschäfte und Läden ihren Platz hatten, ging dann an der Ben-Yehuda-Straße vorbei weiter, bis er den Strand des Mittelmeers erreichte. Wie sich das Meer hier doch von dem in Beirut unterschied! Es war um so vieles ruhiger und sauberer, rollte auf den weichen Sand Israels herein, anstatt gegen die felsige Küste des Libanon zu donnern.
Was Levi auf seinen Spaziergängen durch die Stadt nicht ganz zu fassen vermochte, war, dass alle diese Leute um ihn herum Juden waren! Die Leute, die sich den Film im Kino in der Ben-Yehuda-Straße ansahen; die Frauen in den Kaufhäusern, sowohl die Verkäuferinnen als auch die Kundinnen; die hübschen Mädchen am Strand mit ihrer golden gebräunten Haut und die beachballspielenden Männer, die ihnen mit aller Gewalt zu imponieren versuchten. Alle waren sie Juden! Das kam ihm wie ein Wunder vor. Es gab niemanden, den es zu beeindrucken und zu verführen galt, noch gab es jemanden, der einen zu verführen suchte.
Die ersten Monate, in denen er zu Hause in Israel war, leistete sich Levi zuweilen die ein oder andere Verrücktheit. Eines Tages ging er zu einem Kiosk in der Dizengoff-Straße, an dem man handbedruckte T-Shirts verkaufte. Levi bat den Mann, ihm eines anzufertigen, auf dem in hebräischer Schrift «Die Araber können zur Hölle fahren!» stand. Er trug es, als er ins Büro zurückkam, wo ihn ein Kollege behutsam bat, es doch wieder auszuziehen.
Das Israel des Jahres 1972 war ein Land, das – wie Levi selbst – zu lernen versuchte, wie man sich entspannte. Die großen Schlachten um den Aufbau des Landes waren geschlagen und gewonnen. Die Probleme, die jetzt anfielen, waren von weniger heroischem Ausmaß; sie glichen denen anderer Länder. Die Bemühungen, dem Land eine Bevölkerung zu geben, brachte eine mächtige Völkerwanderung von sephardischen Juden aus Marokko ins Land. Als Ergebnis davon gab es jetzt in Israel reiche und arme Juden. Die reichen waren weiß und stammten aus Europa, die armen waren dunkelhäutig und kamen aus Nordafrika. Und dann waren da die Probleme, die sich aus der neuen Macht ergaben: Der Krieg von 1967 hatte zur Annexion großer Landstriche
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