Operation Beirut
Monate nach seiner Hochzeit. Wie die meisten Rekruten der fünfziger Jahre war er zuerst von einem seiner Professoren am College entdeckt worden. Dieser hatte ihn dazu ermutigt, einen gewissen Regierungsbeamten aufzusuchen, dessen Titel und Behörde ungenannt blieben. Voller Enthusiasmus ging Rogers nach Washington, machte drei Wochen lang allerlei Tests mit, bei denen es darum ging, für wen er nun arbeiten und wie diese Arbeit eigentlich aussehen sollte, bis man ihm schließlich eine Stellung anbot. Das war im Jahr 1958, zu einer Zeit, in der ein junger Mann bei der CIA noch davon träumen konnte, die enorme Macht der USA zu nutzen – heimlich und subtil –, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Rogers wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen. Er hatte keine Lust, zur Universität zu gehen und Jura zu studieren. Ebenso wenig wollte er an der Wall Street oder für eine Zeitung arbeiten. Der Gedanke zu reisen sagte ihm zu. Also wurde er Spion.
Janes Vater, der Oberst, schien die neue Entwicklung zu wittern, als Rogers und Jane ihn zu Weihnachten in Morristown besuchten.
«Und was machst du nun beruflich, Tom?», fragte ihn der Oberst.
«Regierungsarbeit», sagte Rogers.
«Welche Behörde?»
«Wie meinst du das?», antwortete Rogers.
«Ich meine, wo arbeitest du?»
«Oh», machte Rogers. «Ähm, im Außenministerium», sagte er nach einer unangenehm langen Pause.
«Unfug!», sagte der Oberst. Sie sprachen nie wieder darüber, aber der alte Herr schien hocherfreut, und Rogers hatte von diesem Augenblick an die uneingeschränkte Unterstützung seines Schwiegervaters.
Rogers begann seine Laufbahn bei der CIA mit einer Mischung aus Ehrgeiz und Idealismus. Er brachte all die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen guten Führungsoffizier mit – Motivation, Intelligenz, das intuitive Gespür dafür, wie man andere manipuliert. Und noch eines hatte er: diesen gewissen Kitzel, der ihn sich nie ganz wohl fühlen oder zufrieden sein ließ.
Im Nahen Osten landete er durch Zufall. Die Agentur bot interessierten Neulingen zweijährige Arabischkurse. Die einzig wirklich notwendige Qualifikation schien darin zu bestehen, dass man noch nie vorher in der Region tätig gewesen war. Rogers, der so gut wie nichts über Araber oder Israelis wusste, wurde als Idealkandidat angesehen. Er ergriff die Gelegenheit auf der Stelle beim Schopf. Der Nahe Osten war genau so weit von zu Hause weg, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Vom ersten Tag an liebte Rogers seine Arbeit und stach seine Kollegen schon bald aus. Sein Vater, der Polizist, hatte seinem Sohn einst anvertraut – als sei es ein großes Geheimnis –, dass er jedes Mal ein zutiefst glücklicher Mensch war, wenn er seine Uniform anlegte. Rogers teilte dieses Geheimnis. Er betrachtete seine Arbeit – die bloße Aufgabe, Agenten anzuwerben und Informationen zu sammeln – als erhebende Beschäftigung, die Pflichterfüllung und Vergnügen in gleichem Maße in sich vereinte. Was, so fragte er sich zuweilen, könnte ein Mann sonst noch wollen?
Während der ersten Jahre erlebte Rogers’ Ehe einige schwere Prüfungen. Der schlimmste Augenblick, unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt, war ihre Ankunft in Khartum im Sommer 1961.
Schlaflose Nächte im ersten Monat hatten Jane geschwächt und ausgelaugt. Sie hatte erst vier Wochen zuvor ihr erstes Kind zur Welt gebracht und wollte bis zum Herbst warten, wenn es kühler wäre, bevor sie in den Sudan weiterreisten. Doch Rogers hatte keine Zeit zu warten. Er wurde in Khartum gebraucht. Es gab Gerüchte über einen prosowjetischen Putsch, und Rogers war gern mitten im Geschehen.
In drückender Julihitze waren sie in Khartum gelandet und hatten ihre Koffer in einem von der Botschaft gestellten Haus ausgepackt, in dem es nicht einmal eine Klimaanlage gab. Als sie die Tür aufmachten, huschte eine Eidechse über eine Wand des Wohnzimmers davon, und in der Küchenspüle gab es riesige Käfer. Rogers erinnerte sich an diese erste Nacht in Khartum – Jane stillte das Baby in der fürchterlichen Hitze; der Schweiß lief ihr über die Brüste, während das Kind abwechselnd trank und schrie; ein Albtraum. Bevor er in jener Nacht einschlief, hörte er noch Janes Schluchzen aus dem Bad, und er schwor sich, diesen ersten Auftrag irgendwie wiedergutzumachen. Es war ihm nie richtig gelungen.
Khartum war das erste Kind. Oman war das zweite. Jetzt, in den ersten Monaten in Beirut, vermieden Rogers und seine Frau es
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