Operation Beirut
einen Blick auf seine Uhr.
«Ich fürchte, ich muss zu einer Besprechung in den Palast zurück», sagte er entschuldigend. Rogers kehrte um und fuhr nach Baabda zurück.
«Übrigens», sagte Rogers, «was ist eigentlich aus dem palästinensischen Christen geworden, der damals Amin Shartouni ausbildete? Der Mann, den wir den ‹Bombenmacher› nannten?»
«Wir bekommen seine Bomben zu sehen, aber nicht den Mann selbst. Er hat sich in den letzten Jahren noch tiefer im Untergrund vergraben. Wie alle anderen auch. Es ist jetzt viel schwieriger herauszufinden, was so vor sich geht. Wenn Sie heute einen Stein aufheben, dann finden Sie darunter keine Käfer mehr; Sie finden nichts als Schmutz.»
«Der Bombenmacher lebt also noch?», fragte Rogers in einem Ton, dem man die Enttäuschung anhörte.
«Mit ziemlicher Sicherheit. Nach dem bisschen zu urteilen, was wir so mitkriegen, ist er beschäftigter denn je. Sämtliche Gruppierungen arbeiten jetzt mit Autobomben; und er ist auf diesem Gebiet der Meister.»
«Man sollte meinen, es würde ihn jemand aus dem Weg räumen», bemerkte Rogers.
Fares lachte.
«Wer sollte das tun, Tom? Jeder hier macht seine kleinen Geschäfte mit ihm, wenn er ihn braucht. Was für einen Sinn hätte es, ihn zu töten? Er weiß nichts, außer wie man Bomben macht. Und selbst wenn er sterben würde, seine Schüler sind überall, in allen Gruppierungen. Es gibt heute im Libanon viele, viele Leute, die wissen, wie man Bomben macht.»
Rogers schüttelte den Kopf. Der Rest der Fahrt zurück nach Baabda verlief größtenteils schweigend. Als sie sich dem Tor zum Palast des Präsidenten näherten, richtete Fares noch einmal das Wort an Rogers.
«Erinnern Sie sich an eine Frau namens Solange Jezzine?», fragte er. «Die Frau meines Vorgängers?»
«Aber sicher erinnere ich mich», sagte Rogers. «Sie ist keine Frau, die man vergessen könnte.»
«Sie haben Sie ein wenig näher gekannt, nicht wahr?», fragte Fares. Er sagte das ganz nüchtern, als kenne er die ganze Geschichte.
«Ein wenig», gab Rogers zu. Er dachte an ihre stechenden Augen und an ihren weichen Körper. «Was ist denn aus ihr geworden?»
«Sie hat wieder geheiratet», sagte Fares.
«Ach, wirklich?», fragte Rogers. «Wen denn?»
«Einen sehr reichen jungen Mann. Er ist Waffenhändler; ein Agent des saudischen Verteidigungsministers. Waffen sind ein sehr lukratives Geschäft, wie Sie sich vorstellen können. Er ist auch im Libanon sehr aktiv. Verkauft Waffen an beide Seiten.»
«Lebt sie noch immer im Libanon?»
«Nein. Meist ist sie jetzt in Paris. Und in Marbella. Hätten Sie gerne ihre Adresse? Ich bin sicher, ich könnte sie irgendwo im Büro auftreiben.»
Rogers schwieg, um nachzudenken. Wollte er die Adresse, die Leidenschaft, den erfrischenden Sturz von der hohen Klippe und die lange Genesung?
«Nein», sagte Rogers schließlich. «Ich glaube nicht.»
Sie erreichten den Eingang zum Palast. Rogers brachte den Wagen zum Stehen. Fares saß einen Augenblick lang da und versuchte auf etwas zu kommen, was er hatte sagen wollen. «Wir haben im Libanon eine Redewendung», sagte er schließlich. «Wie so vieles andere, handelt es sich um eine, die wir von den Franzosen ausgeborgt haben.»
«Wie lautet sie?», fragte Rogers.
«‹Seul le provisoire dure›», antwortete Fares. «Nur das Vorübergehende dauert. Auf Wiedersehen, mein Freund.»
Als Fares zusah, wie Rogers’ Wagen vom Platz vor dem Palast fuhr, kam es ihm in den Sinn, dass Rogers ein ziemlich untypischer Spion war. Er war ein Mann, der sich nach Dauer sehnte, und das in einem Geschäft, in dem Dauer unmöglich war. Er schien Verbindungen zu wollen, die auf Vertrauen, Ehrlichkeit, einem Gefühl für die gegenseitige Verantwortung basierten. Fares vermutete, dass es diese idealistische Qualität war, die Rogers so amerikanisch erscheinen ließ – und vielleicht auch gefährlich für jene, die mit ihm arbeiteten. Rogers hatte den festen Willen, an Dinge zu glauben, die in Wirklichkeit nicht immer existierten.
Kapitel 44 Beirut; Oktober 1978
Rogers wartete auf Jamal in einer sicheren Wohnung im West-Beiruter Viertel Ramlet el-Baida. Als er das Apartment betrat, hatte er das schauerliche Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Auf dem Sideboard standen die gleichen Blumen, die gleiche Flasche Whisky; auf dem Tisch lagen die gleichen Zigarettenpackungen. In der Wand befand sich ohne Zweifel noch immer das gleiche Tonbandgerät.
Rogers sah auf seine Uhr.
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