Operation Beirut
an. Der Fahrer tat das Gleiche. Im Libanon, so erinnerte sich Rogers, war das Rauchen eine Art ritualisiertes Sakrament, das man sich einige Dutzend Mal pro Tag verabreichte.
Rogers hatte die «Grüne Linie» schon früher überquert, aber er fand es immer noch enervierend. Rogers hasste Heckenschützen. Sie waren das Symbol der Krankheit, die von diesem Land Besitz ergriffen hatte: gelangweilte Teenager, die sich zu beiden Seiten der Linie hinter Sandsäcken versteckten, Aufputschmittel schluckten, um wach zu bleiben, 100 Dollar im Monat verdienten und als Bonus Gelegenheit bekamen, mit automatischen Waffen in der Stadt umherzustolzieren und Leute abzuschießen, ohne auch nur zu wissen, um wen es sich da handelte. Der einzige Trost, fand Rogers, war, dass sie nicht allzu gut schossen. In dieser Hinsicht waren sie durch und durch Libanesen: erstklassige Maulhelden, die versagten, wenn es wirklich darauf ankam.
Sie befanden sich jetzt in der Nähe der Linie. Einen Häuserblock entfernt hörte Rogers Gewehrfeuer. Er kauerte sich tief in den Sitz, als der libanesische Fahrer das Gaspedal in den Boden trat, und hielt den Atem an, bis der Wagen sicher auf der anderen Seite war.
Auf der anderen Seite der «Grünen Linie» lagen die Hochburgen der Christen von Ost-Beirut und dahinter die Berge. Hier gab es mehr Hinweise auf eine funktionierende Regierung und auf Wohlstand als im Westteil der Stadt: die städtischen Parkplätze und die von der phalangistischen Partei organisierten Mülldeponien, den Verkehr, in dem BMW s, Jaguars und Mercedes-Limousinen Stoßstange an Stoßstange fuhren. Halsabschneiderterritorium war es allerdings trotz allem noch.
Als sie den Hügel hinaufkletterten, auf den Präsidentenpalast in Baabda zu, sah Rogers die Stadt unter sich ausgebreitet wie eine zerlumpte Flickendecke. Er konnte die verschiedenen Gürtel der Zerstörung erkennen, die der Stadt während der letzten vier Jahre umgelegt worden waren und die jüngste Geschichte des Libanon ebenso präzise markierten wie die Schichten in Sedimentgestein.
Die Zerstörung begann im Herzen der Stadt und ging strahlenförmig nach außen wie eine gestreute Geschossgarbe aus einem Maschinengewehr. Die ersten Opfer waren die großartigen Fassaden des alten Geschäftsviertels gewesen, dessen Gebäude während der schlimmsten Tage des Bürgerkrieges sowohl vom Osten als auch vom Westen her mit Granaten beschossen worden waren. Jetzt waren die einst herrlichen Gebäude abbröckelnde Ruinen, auf denen Farne und Moos wucherten; auf den Straßen wuchs das Unkraut.
Als Nächstes kamen die arg mitgenommenen Wände der Wohnviertel in der Nähe der Grünen Grenze – Sioufi in Ost-Beirut und Ain el-Mreisseh im Westen –, die während des letzten christlich-moslemischen Aderlasses schwer unter Artilleriebeschuss geraten waren. Daran schlossen sich im Südwesten die palästinensischen Flüchtlingslager Sabra und Schatilla an. Von den Christen mit Granaten beschossen, von den Israelis zuweilen mit Bomben beworfen, bildeten sie trotz allem noch immer das lärmende Herz palästinensischen Exils. Und schließlich kamen die weit draußen im Süden gelegenen Vororte mit den scheinbar völlig willkürlich zerstörten Slums der schiitischen Moslems, die in Armseligkeit vor sich hin brüteten – jederzeit bereit zu explodieren.
Rogers überblickte diese Verwüstung mit einer Mischung aus Resignation und Ekel. Ein Satz, den eine der christlichen Milizen vor einigen Jahren populär gemacht hatte, fiel ihm ein: «Al Arab Jarab» – «Die Araber haben die Lepra.»
Der Präsidentenpalast, modern und in strahlendem Weiß gehalten, schien Rogers fast eine Parodie der libanesischen Situation: großartig, aber leer. Es war ein Ort voller totenstiller, marmorverkleideter Korridore; mit vielen großen Schreibtischen, an denen die wenigen libanesischen Regierungsbeamten, die zu sehen waren, zu arbeiten vorgaben; mit Bürofluchten, die bei näherer Betrachtung nur Leute beherbergten, die dem Pascha am Ende des Flurs Tee und Kaffee machten.
Rogers behagte dieser Besuch im Palast ganz und gar nicht, und er war froh, als er sah, dass Fares ihn am Eingang erwartete. Der Chef des libanesischen Nachrichtendienstes trug, was er auch früher immer angehabt hatte: Tweedjackett mit Fliege. Er sah aus, als wäre er eben dem Fakultätsaufenthaltsraum einer amerikanischen Elite-Universität entflohen. Er sah gesund aus, aber überarbeitet.
Rogers schlug vor, eine
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