Operation Beirut
Meer entfernt», sagte er.
«Es als Dorf zu bezeichnen ist schon ziemlich übertrieben. Eigentlich war es nichts weiter als eine Tankstelle, ein Laden und ein paar Dutzend Häuser. Das Einzige, was es ungewöhnlich machte, für libanesische Verhältnisse jedenfalls, war, dass es an der falschen Stelle lag. Es war ein moslemischer Außenposten an einer Straße zwischen zwei Dörfern mit maronitischen Christen: Saadiyat, direkt am Mittelmeer, und Dibbiye in den Hügeln.»
«Und ihr wart in der Mitte», sagte Rogers.
Fuad nickte. Er schaute ernst drein, als läge ihm viel daran, dass Rogers die Geschichte, die er zu erzählen hatte, auch verstand.
«Als ich ein Kind war, umschloss die Religion mein Leben wie die vier Himmelsrichtungen. Auf beiden Seiten, in Saadiyat und Dibbiye, waren die Christen. Auf der anderen Seite des Hügels, in Jahiliyeh, waren die Drusen. Die einzigen anderen Sunniten außer uns lebten auf einem Hügel in Burjain. Die Schiiten waren im Süden, Sidon und Tyre. Und in Beirut saßen die Herrscher, die sich keinen Deut um unsere kleine sunnitische Enklave inmitten eines christlichen Gebiets kümmerten.
Die politischen Führer des Dorfes schienen in jenen Tagen so fest und ewig zu stehen wie die Sterne am Himmel. Vielleicht war dem auch so, denn es gibt sie alle noch. Wir nannten sie die ‹zaim›. Die großen Männer. Sie waren allesamt große Lügner und Halunken.
Mein Vater war Beamter bei der libanesischen Polizei, die bei uns ‹Polizei für Innere Sicherheit› hieß, damit es sich etwas großartiger anhörte. Sie wurde von den Sunniten beherrscht, und mein Vater bekam seinen Posten durch einen Onkel in Beirut. Das Hauptquartier für unseren Bezirk lag in Damour, einige Meilen weiter die Küste hinauf. Mein Vater hatte nicht einmal ein Büro in Saadiyat; nur sein Motorrad und eine Khakiuniform. Aber er war trotzdem der wichtigste Mann in unserem Dorf.»
Rogers überlegte, ob er Fuad sagen sollte, dass auch sein Vater Polizist gewesen war, entschied sich aber dann dagegen. Was zu diesem Zeitpunkt zwischen ihm und Fuad vonnöten war, war Distanz und nicht Vertraulichkeiten.
«Aufgrund seiner Arbeit», fuhr Fuad fort, «freundete sich mein Vater mit einigen der christlichen Familien an, die einige Kilometer weiter in Dibbiye lebten. Sonntags nahm mich mein Vater oft mit in das Haus des reichsten Mannes von Dibbiye, den wir Emile-Bey nannten. Er hatte ein großes Anwesen oben auf dem höchsten Hügel der ganzen Gegend. Die Fischer aus Saadiyat behaupteten, dass sie das rote Ziegeldach von Emile-Beys Haus bis weit auf das Meer hinaus sehen konnten.
Emile-Bey kümmerte sich um meine Bildung. Vielleicht, weil ich ein armer Moslemjunge war und er ein reicher Maronit, dem das Sektierertum im Libanon nicht gefiel; vielleicht aber auch, weil er keinen eigenen Sohn hatte. Ich weiß nicht, warum. Jedenfalls gab er mir persönlich Arabisch-, Französisch- und schließlich Englischunterricht.
Als ich vierzehn war, richtete er es ein, dass ich auf eine Schule einige Kilometer weiter in einem Dorf namens Mischrif gehen konnte; man unterrichtete dort auf Englisch. Er sagte, die Ära der Franzosen im Libanon sei vorbei. Die Ära der Amerikaner stehe vor der Tür.»
«Hatte er damit recht? Was meinen Sie?», fragte Rogers.
«Wir werden sehen.»
«Stimmt», sagte Rogers. «Wir werden sehen.»
«Ich ging gern auf diese Schule», fuhr Fuad fort. «Die anderen Schüler waren um so vieles kultivierter als ich. Sie waren gut angezogen, und einige von ihnen waren schon im Ausland gewesen. Ich sprach gern englisch mit ihnen. Wenn arme arabische Jungs aus Mischrif in der Nähe waren, dann sprachen wir immer englisch. Die müssen uns dafür gehasst haben.
Als ich dann die weiterführende Schule besuchte, hatte ich angefangen, mein Dorf zu hassen. Ich verabscheute den Moukhtar, den Anführer des Dorfes, weil seine Zähne schlecht waren und er immer Speisekrümel im Bart hatte. Ich schämte mich meiner Schwestern, die verheiratet waren und schon zu viele Kinder hatten, und meiner Cousins, die arm und dumm waren. Aber am meisten schämte ich mich wegen der Rückständigkeit des Lebens in unseren arabischen Dörfern.
Sie können nicht wissen, was es zu jener Zeit bedeutete, ein junger Araber zu sein und davon zu träumen, sein eigenes Volk von so viel Dummheit zu befreien. In der Schule war das unser einziges Thema. Wir drängten uns um das Radio, um Nasser aus Kairo sprechen zu hören – auf einem Sender,
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