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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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schöne Geste, schlug Jane vor, wenn einige der Botschaftsfrauen – anstatt sich in den wohlhabenden Ausländerghettos von West-Beirut abzukapseln – eine sinnvollere Rolle in der Gemeinschaft spielen würden? Vielleicht konnten sie es einrichten, die eine oder andere freiwillige Tätigkeit zu übernehmen. In der Art, wie es zu Hause die jungen Frauen aus besseren Kreisen in der Junior League machten.
    «Woran haben Sie dabei gedacht, meine Liebe?», erkundigte sich Mrs.Wigg.
    «An das Makassed Hospital», sagte Jane. «Ich habe gehört, dass man dort Hilfe schrecklich nötig hätte.»
    «Wo ist das doch gleich wieder?», fragte Mrs.Wigg.
    «In West-Beirut», antwortete Jane und fügte etwas leiser hinzu: «In der Nähe des Flüchtlingslagers Sabra.»
    Mrs.Wigg schien nicht zu hören.
    «Ist das nicht ein moslemisches Krankenhaus?», fragte sie.
    «Ja, ich glaube schon.»
    «Und was sind die Patienten?»
    «Moslems», sagte Jane. «Zum größten Teil Palästinenser. Ebendie können sich keine privaten Krankenhäuser leisten, verstehen Sie. Deshalb sind sie auf Wohlfahrtskrankenhäuser wie das Makassed angewiesen.»
    «Haben Sie gesagt Palästinenser?», fragte Mrs.Wigg mit erhobener Stimme.
    «Ja, obwohl ich nicht ganz verstehe, was das für eine Rolle spielen sollte.»
    «Das ist völlig ausgeschlossen, meine Liebe», sagte Mrs.Wigg mit Entschiedenheit. «Sie sollten wirklich gescheiter sein.»
    Jane schwieg. Sie sah Mrs.Wigg an, überlegte einen Augenblick und fragte dann ruhig: «Warum?»
    «Warum?», donnerte Mrs.Wigg. «Warum? Ich bin doch sehr erstaunt, dass Sie das fragen! Muss ich Sie daran erinnern, dass wir hier nur geduldete Gäste der libanesischen Regierung sind? Das Problem mit den palästinensischen Flüchtlingen ist deren Sache, nicht unsere. Nach allem, was ich weiß, hat die libanesische Regierung keinesfalls die Absicht, diese Flüchtlinge dazu zu ermutigen, sich im Libanon niederzulassen, indem man ihnen im Manhasset Hospital freie medizinische Versorgung zuteilwerden lässt.»
    «Makassed», korrigierte Jane.
    «Wie auch immer.»
    «Verzeihen Sie», sagte Jane. «Aber gerade darum geht es doch. Diese Palästinenser können sonst nirgendwo hin. Ihre Mütter und ihre Babys müssen medizinisch versorgt werden, ganz egal in welches Land sie gehören.»
    «Kein Wort mehr!», fiel Mrs.Wigg ihr ins Wort. «Die Antwort lautet nein.»
    Jane griff nach ihrer Handtasche.
    «Ich hoffe, Sie überlegen es sich noch», sagte sie.
    «Das werde ich sicher nicht», sagte Mrs.Wigg. «Ich bitte Sie, dieses Thema nicht mehr anzusprechen. Es wäre mir nicht recht, mich deswegen in die Karriere Ihres Mannes einzumischen. Aber ich habe Sie gewarnt.»
     
    «Blödsinn!», sagte Rogers am Abend, als ihm Jane von dieser Unterhaltung erzählte. «Ich bin froh, dass du der alten Schachtel die Meinung gesagt hast.» Was Mrs.Wiggs verschleierte Drohung, seine Karriere betreffend, anbelangte, so versicherte Rogers seiner Frau, dass sie das nicht ernst zu nehmen brauchte. Der einzige Mensch in Beirut, dessen Meinung für Rogers’ künftige Laufbahn beim Geheimdienst zählte, war Frank Hoffman. Und der konnte Mrs.Wigg nicht ausstehen.
    Die Angelegenheit bedeutete jedoch das Ende der gesellschaftlichen Laufbahn der Rogers in Beirut. Zu gesellschaftlichen Anlässen der Botschaft luden die Wiggs sie nur noch ein, wenn es unumgänglich war. Und falls Mrs.Wigg etwas von Janes Lebensmittel- und Geldgeschenken an das Makassed-Krankenhaus erfuhr, so ließ sie sich das jedenfalls nicht anmerken.
     
    Rogers verbrachte die erste Dezemberwoche damit, sich noch einmal alles anzusehen, was er im Archiv über die Fatah, den Alten Mann, die Nahostpolitik und die Geschichte der palästinensischen Guerillaorganisationen finden konnte. Er sah überarbeitet aus; er blieb zu lange im Büro und traf zu früh dort ein. Jane war klug genug, ihn nicht zu fragen, was nicht stimmte. Das war genau die Frage, die sich Rogers selbst so verbissen zu beantworten suchte.
    Nichts war los; zumindest nichts, was Rogers hätte sehen können. Aber er hörte nicht auf, alles nach dem verborgenen Fehler abzuklopfen.
    Eines Tages am Spätnachmittag, nachdem Rogers die Fragestellungen – wie es schien – zum hundertsten Mal durchgekaut hatte, schaute er in Hoffmans Büro vorbei. Die Sekretärin hatte gnädigerweise bereits Schluss gemacht.
    «Was kann ich für Sie tun?», fragte Hoffman. Der einsetzende Winter gab seinen Wangen ein fast feuchtfröhliches

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