Operation Beirut
einer Niederung in der Stadtmitte. Die Einwohner Ammans, viele von ihnen Palästinenser, wohnten auf den umliegenden Hügeln in Häusern aus weißem Stein, die wie Stufen aus den felsigen Hügeln gehauen zu sein schienen. Das internationale Viertel, in dem die eleganten Hotels und Läden sowie die Amerikanische Botschaft lagen, zog sich über einen Hügel namens Jebel Amman. Das Hauptquartier der Palästinenser befand sich auf der Kuppe des benachbarten Hügels, dem Jebel Hussein. An ihn schloss sich das weitläufige Flüchtlingslager Al-Hussein an.
Rogers ließ sich an jenem Abend in Richtung einer konspirativen Wohnung am Jebel Hussein fahren. Er kam am palästinensischen Kontrollpunkt zum Fedajin-Viertel vorbei, indem er seinen kanadischen Pass vorzeigte und eine Geschäftskarte, die besagte, dass er Bauunternehmer war. Er gab die Adresse einer kleinen Baufirma an, bei der er einen Termin zu haben behauptete.
Bei der konspirativen Wohnung handelte es sich um eine kleine weiße Steinvilla an einer Straße, die den Hang des Jebel Hussein entlangführte. Die Straße hieß Jaffa Street, benannt nach der Küstenstadt des alten Palästina, und lag nur wenige Blocks vom Militärhauptquartier der Fatah entfernt.
Fuad war bereits dort, als Rogers eintraf. Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen und wartete auf dem Steinfußboden sitzend in dem fast völlig leeren Haus und versuchte sich zu entspannen. Er machte ein heiteres Gesicht, wie einer, der endlich eine Aufgabe angegangen war, die er seit langem erwartet und gefürchtet hatte.
Heute ist Fuads Reifeprüfung, dachte Rogers. Er befindet sich an einem gefährlichen Ort und hilft seinem Führungsoffizier, eine Operation auszuführen. Er gehört jetzt zum Team.
«Was gibt es zu essen?», fragte Rogers.
«Thunfisch und Brot», sagte Fuad, der die kargen Vorräte des Hauses bereits in Augenschein genommen hatte.
«Dann nehme ich einmal Thunfisch mit Brot, bitte», sagte Rogers. Er suchte in der Küche herum und fand einige Dosen
Foster’s Australian Lager
. Während er sein Bier trank, fragte er sich, wer wohl vor ihnen das Versteck benutzt hatte und warum in aller Welt die Leute einige Dosen Bier von der anderen Seite des Globus dagelassen hatten.
Es gab ein Radio im Haus. Rogers stellte den BBC World Service ein.
Der Alte Mann weilte zu Besuch in Moskau, war zu hören, um sowjetisch-palästinensische Aktionen im Nahen Osten zu diskutieren. Fuad murmelte auf Arabisch irgendetwas Geringschätziges über den Palästinenserführer.
Das sind schlimme Nachrichten für den König, dachte Rogers. Der Alte Mann hatte seinen Einsatz gemacht, indem er seine Gönner in Moskau besuchte.
«Eine Kostprobe palästinensischen Terrors», fuhr der Sprecher fort, «bekamen heute die Einwohner von München, als drei Mitglieder der PLO auf dem Münchner Flughafen Handgranaten in eine Gruppe von Passagieren warfen, die auf einen Lufthansaflug wartete, wobei eine Person ums Leben kam und zwölf weitere verletzt wurden.»
Rogers drehte das Radio lauter. Die Dinge geraten außer Kontrolle, dachte er.
«Der Münchner Polizei fiel eine ungewöhnliche Mitteilung in die Hände, die der Führer der Gruppe in der Absicht geschrieben hatte, sie den Passagieren eines israelischen Jets vorzulesen. Polizeiquellen zufolge lautet die Mitteilung wie folgt: ‹Guten Abend, meine Damen und Herren. Hier spricht der Stellvertretende Kommandeur der 112. Einheit der Märtyrer-Omar-Sastadi-Division der Aktionsgruppe zur Befreiung Palästinas. Im Namen der palästinensischen Revolution übernehmen wir das Kommando über dieses Flugzeug und geben ihm den Namen Palästina II .› Laut Aussage der deutschen Polizei weiß man bisher nur wenig über die Sastadi-Gruppe.»
«Verdammt», sagte Rogers lauter als die Stimme aus dem Radio. «Nichts weiß man über diese Gruppe, weil es keine solche Gruppe gibt.»
«Mein lieber Mr.Reilly, Sie verstehen die Denkweise der Araber nicht», sagte Fuad. «Wenn wir bekanntgeben, dass eine Operation der 112. Einheit einer Organisation stattgefunden hat, von der noch kein Mensch gehört hat, dann deshalb, weil wir meinen, dass die Leute annehmen, diese Organisation habe noch 111 andere Einheiten. Selbstverständlich würde das kein einziger Araber glauben. Kein Araber glaubt auch nur ein Wort von dem, was ihm ein anderer sagt. Aber wir halten den Rest der Welt für dumm.»
«Und jetzt zu den Fußballergebnissen», fuhr der Nachrichtensprecher fort. «In der vierten Liga
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