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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Blockhäuser bauten. Sie lebten einige Jahre in einem, dann zogen sie weiter, um sich irgendwo ein neues zu bauen. Das ist unser Amerikabild: ein Land mit Feldern und Wäldern und Häusern aus Holz. Trifft das zu?»
    «Ja, ich denke schon», sagte Rogers. Er fand die Libanesin unwiderstehlich.
    «Nun», fuhr sie fort, «welche Art von Häusern bauen wir Libanesen uns?»
    Rogers sah sich die Mauern des Hauses der Jezzines an und schaute zum Fenster hinaus. Jedes einzelne der Häuser war aus dem gleichen Material gebaut.
    «Stein», sagte Rogers.
    «Exakt!», sagte Madame Jezzine. «Nun, was sagt Ihnen das über die Libanesen? Es sagt Ihnen, dass wir unsere Häuser für die Ewigkeit bauen. Ein Libanese baut sich das Haus, in dem er einmal sterben wird, in dem sein Sohn und seine Enkelsöhne sterben werden. Vielleicht geht er weg, um in Afrika oder gar in Amerika zu arbeiten. Aber er wird immer zu diesem Steinhaus zurückkehren. Für ihn gibt es auf der ganzen Welt nichts anderes als dieses Haus und sein Dorf.»
    «Ich verstehe, was Sie meinen.»
    «Tatsächlich?», fragte die Libanesin. «Sind Sie sicher? Stellen Sie sich einen Augenblick lang vor, was dieser Mann in seinem Steinhaus empfinden muss, wenn er mit einem Mal fremde Leute neben sich sieht, die in sein Land gekommen sind und sich im Schatten seines Dorfes ihre eigenen Häuser bauen. Glauben Sie, er wird sich bedroht fühlen?»
    «Wer könnten diese Neuankömmlinge sein?», fragte Rogers, obwohl er die Antwort bereits kannte.
    «Die Palästinenser natürlich!», sagte Madame Jezzine. «Wie ich Ihnen schon einmal sagte: Sie zerstören unser Land.»
    Ihre Unterhaltung wurde von einer attraktiven Frau, die auf der anderen Seite des Tisches neben General Jezzine saß, unterbrochen. Sie war eine Cousine, die für einen Tag zu Besuch gekommen war. Sie trug ein edles Sommerkleid aus Seide und dazu Jadeschmuck und Perlen.
    «Habt ihr heute Morgen im Radio die Nachrichten gehört?», fragte sie verschmitzt. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck reinster Boshaftigkeit.
    «Nein», sagte Madame Jezzine.
    «In einem palästinensischen Flüchtlingslager ist eine Bombe explodiert.»
    «Ist jemand getötet worden?», fragte General Jezzine.
    «Malheureusement nein», sagte die Cousine. «Vielleicht das nächste Mal.»
    Es war als Witz gedacht. Sie lachte und legte mit einer grazilen Bewegung einen ihrer Finger an die Perlenkette an ihrem Hals. Ein Bediensteter kam mit einem Tablett, auf dem sich gebratene Wachteln stapelten, die einer von General Jezzines Söhnen geschossen hatte. Madame Jezzine wandte sich an Rogers und sagte gelassen. «Sehen Sie, was ich meine?»
    Rogers nickte.
    Rund um den Tisch wurde fröhlich gescherzt. Rogers kam mit einem jungen Mann ins Gespräch, der zu seiner Linken saß und mit der exquisit gekleideten Cousine verheiratet war. Er war ein aalglatter, sorgfältig gepflegter Geschäftsmann, der in Saudi-Arabien arbeitete. Er hieß Elias, und er schien viele politische Kontakte im Libanon und im Ausland zu haben. Er machte fast die ganze Mahlzeit hindurch grobe Bemerkungen über die Saudis und deren Rückständigkeit.
    Als der Lunch dem Ende zuging, wandte sich Rogers wieder an seine Gastgeberin. Er sprach leise, damit der General seine Worte nicht hören konnte.
    «Nehmen Sie einmal an, mir läge daran, die Ansichten der libanesischen Christen besser zu verstehen», sagte Rogers. «An wen, würden Sie vorschlagen, sollte ich mich da wenden?»
    Madame Jezzine überlegte einen Augenblick lang.
    «An meinen Beichtvater», sagte sie leise. «Pater Maroun Lubnani.»
    «Wo kann ich ihn finden?»
    «In Kaslik!», tönte eine Stimme von der anderen Seite des Tisches. Es war die des Generals. Auf seinem sonst so ausdruckslosen Gesicht war ein Lächeln zu sehen.

Kapitel 22 Beirut; Juli 1970
    Einige Abende darauf fuhr Rogers zur Universität des Heiligen Geistes in Kaslik. Die Fahrt auf der Küstenstraße durch Ost-Beirut und den Hafen von Jounie war eine grandiose Angelegenheit. Der Vollmond legte einen silbernen Balken über das Mittelmeer und warf zarte Schatten zwischen die finsteren Gemäuer des Universitätsklosters. Die schauerliche, in Schwarztönen gehaltene Landschaft glich einem zum Leben erweckten Negativ. Kaslik war ein Symbol der Probleme des Libanon. War die Universität einst ein verschlafenes Religionsinstitut gewesen, so war sie in den letzten Jahren zu einem Zentrum des militanten Widerstands geworden, zu einem Ort, wo Priester und

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