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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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und diese Banditen aus seinem Land vertreiben.»
    «Und was wird der Libanon tun?», fragte Rogers. Als er dem Priester so zuhörte, kam Rogers ein Bild in den Sinn: Er sah einen farbigen Pullover, der am Saum ausgefranst war, und einen Mann, der an einem der langen losen Fäden zupfte.
    «Lassen Sie sich nur nicht täuschen!», sagte der Pater und erhob seine Stimme. «Wir Christen werden den Libanon zerstören, bevor wir kapitulieren! Wenn uns die libanesische Regierung nicht unterstützt, dann werden wir diese Regierung einfach nicht mehr beachten. Wenn uns die libanesische Armee nicht verteidigt, dann werden wir unsere eigene Armee aufstellen! Ihr Amerikaner könnt uns davon nicht abhalten. Glauben Sie ja nicht – keine Sekunde lang! –, dass wir danebenstehen und zusehen, wie andere auf unsere Kosten unsere Probleme lösen.»
    «Es muss doch einen Weg geben, Ihr Land zu retten, ohne Selbstmord zu begehen.»
    Der Priester sah Rogers an und schüttelte wehmütig den Kopf. Wie dumm ihr Amerikaner doch seid, schien sein Gesichtsausdruck zu besagen.
    «Wir befinden uns in Todesgefahr», sagte der Priester. «Wir schauen auf Sie, um Hilfe zu bekommen, wie ein Kind auf seinen Vater schaut. Wir sind Anhänger der Kirche in Rom. Wir sind eine Insel der Freiheit und der Demokratie in der moslemisch-arabischen Welt. Ein Vater, der nicht kämpft, um seine Kinder zu beschützen, verdient keinen Respekt!»
    «Und wenn Ihnen der Westen nicht hilft?», fragte Rogers.
    «Wir haben andere Freunde, näher bei unserer Heimat; die verstehen unsere Sache und sind bereit, uns zu helfen.»
    «Was für Freunde?», wollte Rogers wissen.
    «Unsere Freunde sind diskret, und sie erwarten von uns, dass auch wir diskret sind.»
    Der Priester war erschöpft. Sein Gesicht war rot angelaufen, und seine dicken Finger zitterten. Rogers glaubte dem alten Mann irgendeine Antwort schuldig zu sein.
    «Ich kann nicht für meine Regierung sprechen», sagte Rogers. «Aber ich muss Ihnen ehrlich sagen, und das gilt jetzt für mich persönlich, dass das, was Sie da beschreiben, mir Sorgen macht. Ich fürchte, dass Sie dadurch, dass Sie Privatarmeen schaffen, die Institutionen des libanesischen Staates schwächen, von denen die Sicherheit Ihres Volkes abhängt.»
    «Gehen Sie jetzt», sagte der Priester. «Ich bin müde. Vor allem bin ich es müde, von Freunden zu hören, dass sie sich um uns sorgen – wenn auch nicht genug, um uns gegen unsere Feinde beizustehen. Vielleicht brauchen wir neue Freunde.»
    «Darf ich Sie wieder einmal besuchen, Pater?», fragte Rogers.
    Der Priester nickte.
    Rogers ließ ihn in seiner Zelle zurück, den Kopf zum Gebet gesenkt.
     
    Yakov Levi fuhr nicht viel später als Rogers auf derselben Küstenstraße nach Kaslik. Er musste geschäftlich nach Jounie; ein Kunde der Franco-libanesischen Handelsgesellschaft erwartete ihn. Wenn er unterwegs eine Pause einlegte und durch einen Park in Ashrafiyeh spazierte, was war schon dabei? Es war ein schöner Sommertag. Und wenn er zufällig eine Zeitung aufhob, die auf einer der Parkbänke vergessen worden war, war das schließlich kein Verbrechen. Und überhaupt, wem sollte das an einem so angenehmen Tag wie diesem schon auffallen?
    Levi fuhr langsam in Jounie ein, einer Hafenstadt, die sich einige Meilen nördlich von Beirut an die Küste einer herrlichen halbmondförmigen Bucht schmiegte. Er parkte seinen Wagen, spazierte den Kai entlang und sah zum Casino de Liban hinauf, das auf einem Hügel am anderen Ende der Bucht lag. Vielleicht gehe ich nach dem Mittagessen ins Casino, dachte Levi. Vielleicht habe ich heute Glück.
    Levi sah eigentlich recht harmlos aus: ein kleiner, drahtiger Mann mit lockigem Haar, etwas nervös vielleicht, aber wer war das in jenen Tagen nicht? Er spazierte durch einige der Läden, sah sich um, hielt den Blick aber stets auf die Tür gerichtet. Er ging die Hauptstraße entlang und wechselte dann, als hätte er etwas vergessen, die Richtung. Als er davon überzeugt war, dass ihm niemand folgte, ging er in Richtung Stadtrand. Schließlich gelangte er auf eine kleine, nicht asphaltierte Straße, die einen Olivenhain säumte. An einer kleinen Kultstätte am Wegesrand blieb er stehen. Es war ein Terrakottabildnis der Jungfrau Maria, die von einem hiesigen Künstler handbemalt war, was ihr ein libanesisches Aussehen verlieh. Unter der Figur der Maria aufgereiht standen wie vor einem kleinen Altar Kerzen in Glasbehältern und auf kleine Papierzettelchen

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