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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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1971

Kapitel 24 Beirut; September 1970
    Rogers war wie erschlagen, als er von dem Treff in Rom erfuhr. Er verspürte eine unsagbare Hilflosigkeit, ähnlich der eines Vaters, der erfährt, dass eines seiner Kinder gestorben war, während es sich in der Obhut eines Fremden befand. In den ersten Wochen danach versuchte er, den Kontakt zu Jamal wiederherzustellen. Er dachte sich verschiedene Strategien aus, aber keine funktionierte. Es war schwierig, jemanden ausfindig zu machen, wenn man nicht zugeben konnte, dass man ihn kannte. Der Palästinenser schwieg und blieb unsichtbar. Die Libanesen hatten keinerlei Aufzeichnungen darüber, dass er nach Beirut zurückgekehrt wäre. Genau genommen hatte überhaupt niemand eine Aufzeichnung darüber, dass er sich irgendwie bewegt hatte. Er war verschwunden. Damals kam in Rogers der Verdacht auf, dass er Jamal womöglich unterschätzt hatte.
    Rogers’ unmittelbares Problem war Fuad. Der Libanese war angewidert von dem, was passiert war, und verschwand für einige Zeit. Schließlich ließ er Rogers eine Nachricht aus Griechenland zukommen – eine Postkarte aus Skiathos –, aber Rogers reagierte nicht darauf. Fuads Verärgerung über die Vereinigten Staaten würde ihm helfen, seine Tarnung zu vertiefen, versicherte Rogers seinem Stationschef. Schließlich kehrte Fuad nach Beirut zurück und warf sich in die linksgerichtete Politik. Er besuchte Zusammenkünfte der Progressiven Sozialistischen Partei, der Nationalen Syrischen Sozialistischen Partei, der Unabhängigen Nasser-Bewegung. Er beobachtete, sammelte Informationen und erstattete Rogers in regelmäßigen Abständen Bericht. Und er dachte darüber nach, woher es wohl kam, dass die Amerikaner so sehr zu Unfällen neigten.
    Die Akte PECOCK wurde fallengelassen. Das Büro des Stellvertretenden Direktors der Planungsabteilung veranlasste eine Untersuchung von Marshs Vorgehen bei dem Treff in Rom, die zu dem Schluss kam, dass er den Fall verbockt hatte.
    Sosehr ihm Marsh auch zuwider war, im Augenblick tat er Rogers leid. Seine Karriere war in der Vorhölle gelandet. Er bat um seine Versetzung in den neugebildeten Stab, der sich um eine Verbesserung der Beziehungen der CIA zum Kongress bemühte. Diesem Stab sagte man in der Agentur eine arbeitsreiche Zukunft voraus. Es gab einige Debatten über die Klugheit dieses Schritts, aber Stone bürgte für Marshs Integrität. Rogers genoss es, dass seine eigene Einschätzung des Falles rehabilitiert worden war, aber das nützte ihm jetzt wenig. Der Agent hatte sich aus dem Staub gemacht.
    Im August schaute Stone kurz in Beirut vorbei. Ohne auch nur mit einer Silbe einzugestehen, dass seine eigenen Empfehlungen falsch gewesen waren, belobigte er Rogers für seine Geduld und sein Urteilsvermögen. Er kündigte ihm außerdem an, dass er vom 1. September an eine Beförderung und den Aufstieg in eine höhere Besoldungsklasse zu erwarten habe. Das war Stones Art, zum Ausdruck zu bringen, dass ihm das Ganze leidtat.
     
    Jamal empfand den katastrophalen Treff in Rom auf merkwürdige Art und Weise beruhigend. Für ihn war die Angelegenheit dadurch geklärt. Die Amerikaner schienen wieder einmal dem Stereotyp zu entsprechen. Sie waren arrogant und versuchten einen für ihre Zwecke zu manipulieren; sie interessierten sich für die Araber nur so lange, wie bei ihnen etwas zu holen war. Jamal war überdies froh, die zweideutige Beziehung abgebrochen zu haben, auf die er sich mit Rogers eingelassen hatte. Ihm waren Schwarz und Weiß lieber als Grauwerte.
    Der Alte Mann war weniger erfreut, als ihm Jamal durch die kuwaitische Diplomatenpost aus Bonn einen kodierten Bericht über das Treffen zukommen ließ. Der Alte Mann betrachtete den Kanal zu Amerika als Projekt mit höchster Dringlichkeitsstufe. Er schickte Jamal eine Antwort, in der er ihm riet, an seinem Netz in Europa weiterzuarbeiten. Er sollte die Amerikaner fürs Erste vergessen. Die Fatah würde über andere Mittelsmänner in London und Amman den Kontakt mit ihnen aufrechterhalten.
    Obwohl die Amerikaner es nicht wussten, hielt sich Jamal genau unter ihrer Nase auf. Er war in Europa geblieben, meist in Rom, wo der Sicherheitsdienst der Fatah eine geheime Operationsbasis unterhielt. Der Geheimdienst der Fatah, der Rasd, hatte dort konspirative Wohnungen sowie Geldmittel zur Verfügung, ja sogar ein Dokumentenbüro, das gefälschte Reisepapiere anfertigte. Während des Sommers ging Jamal gelegentlich auf Reisen, vor allem nach Deutschland

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