Operation Blackmail
kontrolliert,
aber angespannt. Er war ruhig, ohne die Arroganz des Inders, aber bei Weitem
nicht so nervös wie das Ekelpaket. Schwierig einzuschätzen. Sie konnte
verstehen, warum die Psychologen abgebrochen hatten, bei drei so
unterschiedlichen Typen.
Solveigh war gespannt, wie es weiterging, denn auch das
Abstimmungsverhalten barg womöglich einen Hinweis auf seine Identität. Wer würde
dafür stimmen, so schnell wie möglich zu bezahlen?
»Wer stimmt für den Aufsichtsratsbeschluss vom 17. Januar und damit
für ein maximales Ultimatum von einer Woche?«
Als Erster hob Chokhani die Hand, Lüttich und Wagenbrecht folgten
direkt danach. Ihre Brillenkamera hielt alles live und in Farbe für die
Psychologen fest. Wie entschieden sich Gessner und Schott? Sie hoben fast
zeitgleich mit Tappert die Hand. Nur die Hand von Personalchef Kraus blieb auf
dem Tisch. Bei der Gegenprobe wurde klar, dass er als einziges reguläres
Vorstandsmitglied dagegenstimmte. Aber letztlich entschied Heinkel, der ihr
einen kurzen bedauernden Blick zuwarf, bevor er das Wort ergriff: »Damit bleibt
mir keine Wahl, als mich Ihnen und dem Aufsichtsrat anzuschlieÃen. Vielleicht
hätte ich anders entschieden, wenn wenigstens eines der beiden Gremien für
einen längeren Aufschub gestimmt hätte, aber so: Frau Lang, bitte geben Sie
Ihrer Organisation offiziell bekannt, dass wir in einer Woche, in der Nacht vom
25. auf den 26. Januar, unseren Büroturm nach den Anweisungen der Erpresser
beleuchten werden, um unsere Zahlungsbereitschaft zu signalisieren. Ich hoffe
bei Gott, dass Sie ihn noch vorher finden und dass kein weiterer Mitarbeiter
sein Leben lassen wird. Ich bin sicher, Sie geben Ihr Bestes.«
Solveigh nickte. Das werden wir, antwortete sie in Gedanken, da
können Sie sich drauf verlassen. Aber ob es reichen wird?
Nachdem die Führungsspitze der Bank längst gegangen war, blieb sie
auf ihrem Platz sitzen, um die Sitzung Revue passieren zu lassen. Ohne darüber
nachzudenken, strich sie sich etwas Kampferpaste auf die Oberlippe, um die
fiese Mischung aus herben Männerdüften und Angstschweià zu übertünchen. Einer
dieser Gerüche stammte von dem Maulwurf. Nur welcher?
KAPITEL 54
Paris, Firmensitz von Excalibur Entertainment
Tag 12: Freitag, 18. Januar, 15:08 Uhr
Dominique beobachtete das lustige Treiben, das sich auf
den Bildschirmen um ihn herum abspielte, mit Erstaunen. Er hatte zuvor noch nie
etwas von virtuellen Welten gehört, geschweige denn selbst eine betreten, und
jetzt war er auf einmal mittendrin. Während er gebannt auf den Monitor starrte,
versuchte er immer wieder, entweder sein rechtes oder sein linkes Bein um
wenigstens einen Zentimeter anzuheben, bisher ohne Erfolg. Aber er würde nicht
aufgeben. Weiterkämpfen.
Olivier, ein Webmaster der Spielefirma, wollte ihm als Nächstes die
Hauptstadt der Menschen in dem Spiel zeigen. Sein Charakter, ein
hochgewachsener Krieger der Elfen, ritt auf einem braunen Pferd durch einen
sonnendurchfluteten Wald, eine einfache Flötenmelodie untermalte die Szene. Auf
der StraÃe lief eine Bäckerin, die frisch Gebackenes feilbot. Er gab dem Hengst
die Sporen und erreichte nach kurzem Galopp die hohe Burgmauer der Stadt. Die
Hintergrundmusik wechselte zu einem getragenen, erhabenen Konzert mit Geigen
und mittelalterlichem Gesang, das Besuchern wohl die Bedeutung der Stadt und
ihren Reichtum demonstrieren sollte. Der Elfenkrieger stieg vom Pferd und
führte es an den Zügeln über die steinerne Brücke. Auf der anderen Seite
standen Reiter und Wachen Spalier, die den Neuankömmling begrüÃten. Es ging
noch einmal um eine Rundmauer, bevor sie den lebhaften Marktplatz betraten, in
dessen Mitte ein munterer Springbrunnen kleine Fontänen in die Höhe schoss. Die
Stadt war überlaufen, wie man sich London oder Paris im Mittelalter wohl
vorstellen musste. Händler und Käufer feilschten um Preise, Ritter wetzten
klirrend ihre Waffen, und jeder schien wahnsinnig beschäftigt. Der eine bot
Stoffe aus fernen Ländern, die andere eine Stärkung für zwischendurch, ein
dritter stellte seine Bogenfertigkeiten an einer hölzernen Zielscheibe unter
Beweis.
»Und das sind alles Spieler?«, fragte Dominique seinen Fremdenführer
erstaunt.
»Die meisten schon. Die Wachen am Tor waren keine, das sind sogenannte
NPCs, oder Non-Player-Characters. Sie verteilen Aufgaben im Spiel
Weitere Kostenlose Bücher