Operation Blackmail
Widerworte schluckt. Ich habe mir immer mehr Offenheit in meinem
beruflichen Umfeld gewünscht, aber leider musste ich feststellen, dass es nicht
leicht ist, dieses Ziel zu erreichen. Wie sagte einmal jemand so schön über ein
hohes Amt? Das Amt verändert viel mehr den Menschen als der Mensch das Amt. Sie
haben mich aufgeweckt, und dafür möchte ich Ihnen danken.«
Er prostete ihr mit dem Weinglas zu. Solveigh schien seine
Entschuldigung zu akzeptieren, denn sie stieà mit ihrem Wasserglas an: »Nichts
für ungut, Dr. Heinkel. Das mit der Dissertation war übrigens ernst gemeint,
ein spannendes Thema für einen Kaminabend. Sind Sie nun bereit, mir meine
Fragen zu beantworten? Ich habe nämlich eine ganze Menge davon im Gepäck.«
Heinkel nickte, und die nächsten anderthalb Stunden verbrachte
Solveigh mit Heinkel im Zwiegespräch über die Kollegen, die auf der
Verdächtigenliste standen. Wie nahm Heinkel sie wahr, was wusste er über ihr
Privatleben, hatte jemand auf einer Dienstreise oder einer Feierlichkeit eine
auffällige Bemerkung gemacht? Solveigh lieà kein Detail aus, das ihr eventuell
weiterhelfen konnte.
Nach dem Dessert ergriff noch einmal Heinkel das Wort. »Es gibt
einen weiteren Aspekt, den ich Sie bitte zu berücksichtigen: Heute Nachmittag
hatte ich eine auÃerplanmäÃige Aufsichtsratssitzung, und mir wurde eine
Entscheidung aufgezwängt, deren Notwendigkeit ich zwar erkenne, aber deren
Konsequenzen ich gerne noch etwas hinausgezögert hätte. Mit diesem Beschluss
muss ich Ihnen ein Ultimatum stellen, bis wann Sie mit Ihren Ermittlungen
konkrete Erfolge erzielt haben. Sonst wird die EuroBank bezahlen, was im
Ãbrigen auch dem Vorschlag des BKA entspricht, die überzeugt sind, die Täter
bei der Ãbergabe dingfest machen zu können.«
»Aber Herr Dr. Heinkel. Wir haben einen Namen und eine Liste mit
Verdächtigen bei Ihrer Bank. Wir sind nah dran â¦Â«
»Wie gesagt: Ich stimme Ihnen zu, und ich hätte Ihnen auch gerne
mehr Zeit verschafft, aber gegen den Aufsichtsrat, der unisono mit dem BKA
argumentiert, kann ich nichts ausrichten. Ich konnte es nur noch etwas
hinauszögern.«
»Wie lange haben wir?«, fragte Agent Lang.
»Eine Woche. Dann zahlen wir. Die Verluste sind schon jetzt viel zu
hoch.«
KAPITEL 53
Frankfurt am Main, Konzernzentrale der EuroBank
Tag 12: Freitag, 18. Januar, 11:04 Uhr
Solveigh Lang stand in Paul Vanderlists Büro vor der hohen
Fensterfront und bereitete sich auf ihren Auftritt beim Vorstand der EuroBank
vor. Der Turm war wolkenverhangen, und es nieselte, der Januar zeigte sich an
diesem Morgen von seiner unangenehmen Seite. Solveigh prüfte die Videofunktion
ihrer Fensterglasbrille: »Hast du die Psychologen online, Eddy?«
»Ja, beide. Ãstersund und Heller«, antwortete ihr Kollege. Sie
drückte den nur millimetergroÃen Knopf in ihrem Ohr noch etwas tiefer in den
Gehörgang. Der Profiler der ECSB, Heller, und der zusätzliche Psychologe von
der Universität Brügge waren für diesen Termin unverzichtbar. Offiziell diente
das Meeting dazu, die EuroBank über die neuesten Erkenntnisse der ECSB zu
informieren, das inoffizielle Ziel aber war die Enttarnung des Maulwurfs, den
sie in der Firmenzentrale vermuteten. Ihr Profiler hatte jahrzehntelange
Erfahrung bei der Erstellung von Täterprofilen. Gemeinsam mit Ãstersund hatte
er bereits das Dossier erarbeitet, das Vanderlist und Heinkel entlastete. Ãber
Nacht hatten sie für jeden der infrage kommenden Männer aufgrund der Aussagen
von Dr. Heinkel ein detailliertes Profil angelegt, die Basis für die Falle, die
sie für ihn aufbauten. Sie warf einen kurzen Blick zu Paul Vanderlist, der ihr
aufmunternd zunickte.
»Auf in die Höhle der Löwen«, sagte er augenzwinkernd. Sie folgte
ihm wortlos zum Aufzug, und sie fuhren in den 33. Stock, in dem der
Konferenzraum des Vorstands lag. Als Paul ihr die schwere Eichentür aufhielt,
lächelte sie ihm dankbar zu, ging an ihm vorbei und setzte sich auf den mit
einem Namensschild für sie gekennzeichneten Platz vorne links am Tisch. Einige
der Vorstände waren schon da und unterhielten sich über die Auswirkungen der
Krise. Sie vernahm Wortfetzen wie »ungeheuerliche Katastrophe« und »Tokio im
freien Fall«. Für die Psychologen in der Zentrale und an der Universität von
Brügge lieÃ
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