Operation Blackmail
Posten
einzunehmen.
Zwanzig Minuten später erreichte er seine Abzweigung an
dem imaginären Kreis, den Solveigh um die zentral gelegenen Koordinaten gezogen
hatte. Ab hier würde er noch etwa 200 Meter Richtung Treffpunkt marschieren und
sich dort ein Versteck suchen. Obschon man das, was nun folgte, wahrlich nicht
als Marsch bezeichnen konnte. Er knickte einen Zweig ab, der noch einigermaÃen
viele braune Blätter trug, und begann mit der mühseligen Kleinarbeit, jeden seiner
Schritte hinter sich zu verwischen. Dazu musste er alle zwei Meter anhalten,
sich umdrehen und kauernd die Spuren seiner Schneeschuhe beseitigen. Es dauerte
eine weitere halbe Stunde, bis er die Mitte zwischen Gipfelkreuz und
Zielkoordinaten erreicht hatte, um dort Stellung zu beziehen. Er hatte sich
einen groÃen Stein ausgesucht, der wie eine Welle geformt war, sodass er über
die Mitte ins Tal spähen konnte, ohne dass sich die dunkle Silhouette seines
Kopfes unnatürlich abhob. Der Saab-Poncho, das Neueste in Sachen
Tarntechnologie für Soldaten, würde den Rest seiner Silhouette verschleiern. Er
war so konstruiert, dass sein Material möglichst schneeähnliche Konturen
annahm, egal, wie man es verformte. Der gröÃte Feind in verschneitem Gelände
sind Formen und Bewegungen. Ganz im Gegensatz zum Sommer, wo verräterische
Geräusche viel leichter durch die Nachtluft getragen wurden, aber dafür die
Formen vielfältiger und Bewegungen allgegenwärtig waren.
Als er seine Arbeit beendet hatte, testete er die Kuhle und legte
sich hinein. Perfekt, sein Körper verschwand vollständig, und halb auf dem
Stein liegend ragte sein Kopf gerade bis zur Augenpartie über den Fels. Er
meldete sich mit seinem Rufnamen, für den sie die ersten Buchstaben des phonetischen
NATO-Alphabets verwendeten: »Charlie in Position.«
»Roger Charlie«, kam die prompte Antwort von Solveigh.
Jetzt hieà es warten, was ihn als Soldaten mit Kampferfahrung jedoch
nicht störte, im Gegenteil. Er sah auf die Uhr: 3:58 Uhr. Sie hatten sicher
noch eine halbe Stunde, bis sie mit der Beobachtung beginnen mussten. Er genoss
die Ruhe, die ihm ihr Einsatzplan verschaffte. Begierig auf Action waren nur
die ganz jungen Rekruten oder die vollkommen Durchgeknallten. Er lauschte dem
Wald, eine Eule schrie, der Wind pfiff über seinen improvisierten Unterstand.
»Beta in Position«, flüsterte es einige Minuten später
durch seinen Ohrhörer, und kurz darauf meldete auch Solveigh Erfolg: »Alpha in
Position. Volle Konzentration ab jetzt bitte. Ich weiÃ, dass die Berechnung uns
noch eine halbe Stunde gibt, aber ich wurde eindringlich gewarnt, Leonid
Mikanas nicht zu unterschätzen.«
Paul bestätigte mit einem knappen »Roger« und brachte sein
Sturmgewehr in Anschlag. Das Heckler und Koch G 36 wog mit der vollständigen
Ausrüstung inklusive Wärmebildzielgerät nur knapp über vier Kilogramm und war
damit ein gutes Kilo leichter als das alte G3. AuÃerdem war es durch den
Einsatz von Kunststoffen statt Metall bei Kälte wesentlich zuverlässiger. Immer
wieder scannte Paul durch den Wärmebildsucher den Hang in einem Winkel, der
sich mit der Bravo-Position überschneiden musste. Sein linkes Bein schlief ein,
was er mit Muskelanspannungen und Dehnübungen bekämpfte. Zudem kroch der Frost
in seinen Anzug, die fehlende Bewegung erschwerte es seinem Körper, sich gegen
das Auskühlen zu wehren. Es verging eine Viertelstunde, bis ein Funkspruch von
Solveigh dazu führte, dass sich die Muskeln in seinem ganzen Körper anspannten:
»Kontakt. Bravo, einer kommt auf deine Position zu, Entfernung circa 250
Meter.« Es geht los.
Sie lagen zwar viel dichter bei den Zielkoordinaten, aber Solveigh
befand sich nahe dem Gipfel und hatte neben dem besseren Winkel auch das
entfernungstauglichere Gewehr. Ihr Arctic Warfare mit entsprechendem
Zielfernrohr lieà sie wesentlich weiter ins Tal blicken. Paul schwenkte den
Lauf seiner Waffe nach rechts, wo Pollux wahrscheinlich ähnlich wie er
eingegraben lag. Er machte ihn etwa vierhundert Meter entfernt aus, sein Poncho
veränderte die Wärmesignatur seines Körpers zu einem leichten Grauton, der sich
nur minimal von den Minusgraden um ihn herum abhob. Erstaunlich, was die neue
Technologie leistete im Gegensatz zu früher, staunte Paul, als Pollux ihren
Kontakt bestätigte: »Roger. Hab ihn auch. Er ist
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