Operation Blackmail
zu
seinem Apartment im dritten Stock auf, streifte die Stiefeletten ab und lief
schnurstracks in sein Arbeitszimmer. Während alle anderen Räume mit ihren
modernen dunklen Holzmöbeln aussahen wie aus einem Designerkatalog, bestand
dieses Zimmer hauptsächlich aus einem schier unüberschaubaren Sammelsurium von
Computerbauteilen und Kabeln. Auch der überdimensionale Schreibtisch war
vollgepackt mit Bildschirmen, Rechnern und Tastaturen. Er hatte es eilig,
Leonid die neuen Koordinaten durchzugeben. Er wusste zwar, in welchem Land ihr
nächster Job stattfinden sollte, aber ihm fehlte nach wie vor das nächste
Versteck. Sicher hatte er schon ihr vorher angelegtes Waffenlager geplündert
und sich in einem Motel verschanzt, um alle paar Stunden ihren verabredeten
Treffpunkt zu überprüfen.
Ohne jedweden Ekel räumte Mao eine verschimmelte Kaffeetasse und
eine Tüte vertrockneter Chips beiseite und startete den GroÃen Vorsitzenden. So
nannte er den leistungsstärksten seiner Computer. Der GroÃe Vorsitzende war
auch der Grund, warum er von hier aus den Rechner der irritierenden
BKA-Ermittlerin hacken wollte. Er arbeitete anstatt mit regulären Prozessoren
mit Grafikkarten, die er parallelgeschaltet hatte. Er schaffte die
Rechenleistung von zwanzig normalen Heimcomputern, eine Hochleistungszüchtung,
die das Knacken ihres Passwortes deutlich beschleunigen würde. Schnell traten
allerdings auch die Nachteile seiner Konstruktion zutage: Die vierzehn Lüfter
machten einen Höllenlärm und verbreiteten einen unangenehmen lauwarmen Wind
verbrauchter Luft. Er schaute auf die Uhr â noch zwei Minuten bis zu ihrem
nächsten möglichen Rendezvous, er erwartete ungeduldig, dass das Programm
endlich startete.
Der Treffpunkt, den er mit Leonid vereinbart hatte, lag jedoch nicht
im realen, sondern im virtuellen Raum. Da die Geheimdienste und, wer weiÃ, am
Ende sogar die Polizei mittlerweile E-Mails und Chaträume überwachten, hatte
sich Mao eine weitere Nuss für die Ermittler einfallen lassen. Er kommunizierte
mit seinem Partner innerhalb einer 3D-Welt, einem Online-Rollenspiel.
Normalerweise trafen sich hier Menschen aus aller Herren Länder, um gemeinsam
in der Rolle von Elfen, Zwergen oder Orcs epische Schlachten zu schlagen. In
ihrem Fall begegneten sich ein alter Russe und ein Halbchinese, um die
Koordinaten für das nächste Päckchen durchzugeben. Maos Kalkül: Die
Unterhaltungen in Onlinespielen liefen über ein separates Programm und nicht
über normale Internetbrowser. Diese lieÃen sich auf den meisten Behördenrechnern
überhaupt nicht installieren, und eine Genehmigung dafür einzuholen stellte
sich Mao überaus amüsant vor. Polizist beantragt »World of the Sorceress« zu
Ermittlungszwecken. Fast eine Schlagzeile wert. Somit sanken die Chancen auf
eine Infiltration ihrer Kommunikation unter null. Nachdem Mao das Spiel
gestartet hatte, wählte er einen seiner Charaktere, einen Magier namens Roxxor,
und betrat den dreidimensionalen Raum als ein neuer Mensch.
Der Magier Roxxor erschien in der virtuellen Welt in einer
beschaulichen Spelunke, mittelalterliche Musik verlieh der Szene eine heitere
Atmosphäre, Metkrüge wurden aneinandergeschlagen. Als er ins Freie trat,
zwitscherten die Vögel um die Wette, und ein paar Wachen der königlichen Leibgarde
trainierten mit klirrenden Waffen den Schwertkampf. Der Treffpunkt mit
Grimmgold, dem Zwergenkrieger alias Leonid, fand in einer verlassenen Burgruine
auÃerhalb des Dorfes statt. Er war spät dran, und so sattelte er sein Pferd und
gab ihm die Sporen, der königsblaue Mantel flatterte, und sein treuer Rappe
wirbelte den Staub der StraÃe auf. Nach einem kurzen Ritt erreichte er die
Ruine und band seinen Gaul neben Grimmgolds an einen Baum. Er war also schon
da. Gemessenen Schrittes betrat er den steinernen Turm und vergewisserte sich,
dass sich auÃer dem Zwerg, der im hintersten Eck des Vorpostens stand, niemand
sonst eingeschlichen hatte. »Ich grüÃe Euch, edler Zwerg!«, tippte er in die
Chatfunktion des Spiels.
Es dauerte eine ganze Weile, bis dieser antwortete: »Lass den
Quatsch und gib mir die Koordinaten.«
Mao musste innerlich lachen. Nein, so einfach würde er seinen
Partner nicht aus dem mittelalterlichen Rollenspiel entlassen: »Also gut,
Meister Grimmgold, Ihr habt lange genug gewartet. Den ersten Hinweis findet Ihr
in
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