Operation Blackmail
Mekdrasyl. Ganz im Norden findet Ihr eine Zwillingsspitze, genau in der
Mitte der Karte. Der zweite liegt auf einem Berg im Tal der SchlankfüÃer, sucht
den König, dort findet Ihr die zweiten Koordinaten. Und schlieÃlich müsst Ihr
in den toten Wald. Geht in die verlassene Taverne in den ersten Stock und sucht
unter dem Bett.« »Okay«, war die knappe Antwort des wortkargen Zwergs. Roxxor
schaute dem bärtigen Winzling noch eine Weile hinterher, als dieser von dannen
ritt.
Mao lächelte, er wusste genau, dass Leonid nicht gut tippen
konnte und dass ihm die ganze Doppel- und Dreifachcodierung auf die Nerven
ging, aber das waren nun einmal seine Spielregeln, und die hatte Leonid zu
respektieren, ob er sie für überflüssig hielt oder nicht. Leonid hatte
gefordert, wenigstens die Koordinaten im Klartext zu übertragen und ihn nicht
jedes Mal durch die halbe virtuelle Welt zu jagen, aber Mao war das zu riskant.
Jeder Klartext kann abgehört werden, sein System hingegen nicht. Auch so fand
der Russe das nächste Versteck, und das war alles, was zählte.
Während der Zwerg durch das halbe Onlinespiel ritt, um sich die
echten Koordinaten zusammenzupuzzeln, wollte er so schnell wie möglich an das
Passwort der BKA-Schnalle gelangen. Dazu musste er die codierten Daten
entschlüsseln, die ihr Computer über sein Funknetz übertragen hatte. In einem
Programm, das für normale PC-Nutzer vollkommen unbrauchbar war und das zudem so
unspektakulär aussah wie ein monochromes IBM-Terminal aus den Siebzigerjahren,
tippte er frenetisch, bis über den Bildschirm lange Kolonnen aus Zahlen und
Buchstaben flirrten. Im Grunde war es nicht schwer, einen fremden Rechner zu
hacken. Während der sieben Stunden, die er mitgeschnitten hatte, waren Dutzende
E-Mails und anderer Datenverkehr angefallen. Das meiste davon war zwar
verschlüsselt, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er den Code dafür
zusammenhatte. Jede Sprache hatte Lieblingsworte, die besonders häufig
vorkamen. Einfache Worte wie »und«, »oder«, die Artikel »der, die, das« und so
weiter. Er lieà den Computer nach ebendiesen Kombinationen suchen und glich sie
so lange mit den codierten Ketten ab, bis er einen Rückschluss auf das Passwort
ziehen konnte. Jetzt liefen mit über achtzig Gigahertz Datenpakete durch seinen
Wortscanner, und Mao lehnte sich zurück. Er konnte nur warten. Kurz
entschlossen ging er in die Küche, um zu prüfen, ob er noch eine Tiefkühlpizza
im Gefrierfach hatte, sein Magen rumorte.
Vier Stunden später war Mao auf seinem Stuhl eingeschlafen,
als ihn ein hell klingendes »Ping« aus dem Halbschlaf riss. Er war sofort
hellwach, das war das Signal, auf das er gewartet hatte. Geschafft! Der GroÃe
Vorsitzende hatte ihn nicht enttäuscht und aus dem verschlüsselten Datensalat
das Passwort seiner Zielperson extrahiert. Adrenalin rauschte durch Maos Venen:
»xus44lh« stand in dem unspektakulär-schwarzen Fenster. Sein
Schlüssel zum Sieg. Das Passwort für Solveigh Langs Rechner. Und dank des
kleinen Programms, das er ihr über das WLAN im Hotel auf die Festplatte kopiert
hatte, konnte er sich jederzeit in ihren Computer einloggen, sobald sie mit dem
Internet verbunden war. Das nächste Mal, wenn sie arglos ihre E-Mails abrief,
würde er endlich herausfinden, wer die junge Lady aus Paris war. Und noch viel
mehr.
KAPITEL 26
Athen, Hotel Hilton
Tag 4: Donnerstag, 10. Januar, 16:14 Uhr
Dominique Lagrand betrat, einen Rollkoffer hinter sich
herziehend, die Lobby des Athener Hilton. Wie es für die Fünf-Sterne-Kette
typisch war, sah die Eingangshalle des Hochhauses aus wie der pompöse
Empfangssaal einer griechischen Botschaft, möbliert mit schlechtem amerikanischem
Geschmack. Die ECSB hatte für Dominique das Zimmer gebucht, und er brannte
darauf, seinem neuen Arbeitgeber zu beweisen, was in ihm steckte. Als er den
riesigen Tresen in der Mitte der Lobby erreichte, checkte gerade eine groÃe
Gruppe aus dem Heimatland der Hilton-Kette ein. Die Männer verrieten sich durch
kurze Hosen und Strohhüte, die Frauen durch in die Länge gezogene Quietschlaute
wie »Amaaazing« oder »Oh my God, look, how wonderful«.
Seufzend stellte sich Dominique geduldig hinten an und wartete. Nach
wenigen Sekunden tauchte wie aus dem Nichts ein Hotelangestellter in perfekt
sitzender Livree auf und bat ihn dezent zur Seite:
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