Operation Blackmail
Damen und Herren, geht es um das Leben eines jeden
Mitarbeiters unseres Unternehmens. Und um ein grausames Verbrechen. Eine
beispiellose Gräueltat, und die Täter versuchen, Sie als Journalisten zu
instrumentalisieren. Mir bleibt keine Wahl. Ich muss mich in Ihre Hände begeben,
Sie entscheiden, was Sie mit dieser Meldung anfangen. Ich bitte Sie auch nicht
darum, etwas vor der Welt geheim zu halten, mir ist bewusst, dass ich das von
Ihnen und Ihrem Berufsethos nicht verlangen kann. Aber ich appelliere an Sie:
Denken Sie zweimal nach, wie reiÃerisch Ihre Headline ausfällt. Ist sie
geeignet, den Verbrechern in die Hände zu spielen, oder hilft sie unseren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern? Das ist alles, worum ich Sie bitte.« Er machte eine
Kunstpause, bevor er hinzufügte: »Worum Sie unsere 70481 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter auf der ganzen Welt bitten. Es ist Ihre Entscheidung.«
Heinkel fuhr fort, indem er die vorbereitete Erklärung verlas. Er
endete mit den Worten: »Bitte haben Sie Verständnis, dass wir in einer solch
heiklen Situation keine Fragen beantworten können. Direkt im Anschluss werden
jedoch die Verantwortlichen des BKA Stellung nehmen, und Sie haben Gelegenheit
für Rückfragen. Ich danke Ihnen.«
Seine Rede hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Herrschte
normalerweise nach einer Pressekonferenz hektisches Treiben, klebten die
Journalisten heute an ihren Stühlen, warteten auf den Auftritt des BKA. Vereinzelt
wurde über die Stuhllehnen miteinander getuschelt, aber im GroÃen und Ganzen
stand den gestandenen Journalisten das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
Mal sehen, wie lange das anhält, grübelte Paul.
KAPITEL 42
AuÃerhalb von Moskau, Russland
Tag 9: Dienstag, 15. Januar, 12:55 Uhr
Etwa siebzig Kilometer südlich von Moskau näherte sich
Solveigh Lang in einem schwarzen Geländewagen dem Schlagbaum des geheimen
SWR-Stützpunkts. Als Nachfolgeorganisation der 1. Hauptverwaltung des KGB
kontrollierte heute der Auslandsnachrichtendienst SWR alle illegalen
staatlichen Aktivitäten in fremden Ländern, kurz gesagt: die russischen Spione.
Statt konkreter Hinweise auf einen Täter hatten ihnen die von William Thater
eingeforderten UnterstützungsmaÃnahmen diese Adresse eingebracht. Nebst der
nebulösen Bemerkung, sich bei einem Oberst Malakhov zu melden. Die letzten
Meter lieà sie den schweren Wagen ausrollen. Nur nicht zu aggressiv auftreten,
dachte sie sich beim Anblick der beiden grimmig dreinblickenden Soldaten, die
die Zufahrt mit Maschinengewehren bewachten. So weit Solveighs Augen reichten,
war das Areal meterhoch eingezäunt. Wo lag die Kaserne? Hinter dem Schlagbaum
schien die SchotterstraÃe einfach weiterzuführen, es waren keine Gebäude zu
sehen. Na, dann wollen wir mal schauen, ob ihr heute einen guten Tag habt,
dachte Solveigh. Hier in Russland war sie auf die freiwillige Kooperation der
Behörden angewiesen, schlieÃlich gehörte es nicht zur EU. Sie war auf sich
allein gestellt, ohne Waffe und ohne Befugnisse.
Bedacht darauf, keine hektischen Bewegungen zu machen, schwang sie
sich aus dem SUV und ging auf die Männer zu. Der eiskalte Wind lieà ihren
Mantel aufflattern, sie sollten ruhig auf den ersten Blick erkennen können,
dass sie keine Pistole trug.
»Priwjet, minja sawut Solveigh Lang. Ich bin angekündigt.«
Gelangweilt holte einer der beiden Soldaten ein Klemmbrett aus der
kleinen Hütte, die rechts von der Sperre stand, und blätterte in einem Haufen
gräulicher Papiere mit handschriftlichen Notizen. Sehr fortschrittlich,
vermerkte Solveigh. Aber er schien ihren Namen gefunden zu haben. Nachdem er
mit Argusaugen ihren Pass kontrolliert hatte, bedeutete er seinem Kollegen, den
Schlagbaum zu heben. Genervt hielt er Solveigh ein Formular und einen Kugelschreiber
hin. Offenbar sollte sie unterschreiben. Nichts lieber als das, murmelte sie,
kritzelte etwas Unleserliches auf das raue Papier und reichte ihm den Stift
zurück.
Sie war froh, als sie in die wohlige Wärme ihres Autos
zurückkriechen konnte, und rollte langsam an. Als sie die Sperre passierte,
fiel ihr auf, dass sie gar nicht wusste, wo sie den Oberst finden würde, den
sie treffen sollte. Sie betätigte den Fensterheber und fragte den Mann, der die
weiÃ-rote Sperre nach oben hielt, nach dem Weg. Er deutete einfach die StraÃe
hinunter. Sehr gesprächiges Völkchen, dachte Solveigh,
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