Operation Genesis (Ein Delta-Team-Thriller) (German Edition)
Aneinandergedrängt zwischen zwei hohen Brettwurzeln, getarnt mit großen Palmwedeln, die auch als Schutz vor dem Regen dienten, der erst vor einer Stunde aufgehört hatte.
Nachdem sie sich durch die Dunkelheit auf den eigenen Spuren zu Queen zurückgeschlichen hatten und fast von ihr erschossen worden wären, hatten sie die Waffen, Rucksäcke und Taschenlampen zusammengesucht, die Queen versteckt hatte, und waren geflüchtet, ohne ein Wort darüber zu verlieren, was sie durchgemacht hatten. Drei Stunden lang hasteten sie durch Dunkelheit und Regen und drangen immer weiter und höher in die annamitischen Kordilleren ein, bis sie schließlich nicht mehr konnten. Alle drei waren binnen Minuten eingeschlafen, sogar Sara, deren durcheinandergewürfelte Sinne den Schlaf schon unter normalen Bedingungen zu einer Herausforderung machten.
King wandte den Blick nach rechts und sah, dass Queen von ihm abgewandt dalag, zusammengerollt wie eine zürnende Geliebte. Aus dieser Perspektive war sie noch dieselbe Queen, die er ins Herz geschlossen hatte wie seinetote Schwester … aber er wusste, dass sie sich verändert hatte. Dass sie zu einer düsteren Version ihres früheren Selbst geworden war. Er hatte das Brandzeichen auf ihrer Stirn noch nicht gesehen, aber er wusste, dass es da war. Und er musste vorsichtig sein, wie er darauf reagierte. Wäre sie seine echte Schwester gewesen, hätte King wahrscheinlich tiefe Traurigkeit empfunden. Aber das hier war Queen. Mitleid würde bei ihr nicht gut ankommen und konnte ihm schnell einen Tritt in den Unterleib einbringen. Er machte sich im Geiste eine Notiz, nicht einmal hinzusehen, wenn sie ihm das Brandzeichen schließlich präsentierte. Besser so tun, als wäre es gar nicht da. Sie genauso behandeln wie zuvor.
Er spürte zu seiner Linken eine Bewegung und sah sich um. Saras hübsches Gesicht ruhte an seiner Schulter. Ihre langen, dunklen Wimpern waren ihm bis jetzt gar nicht aufgefallen. Die Wangen waren schmutzverkrustet, und ihr normalerweise stacheliges Haar lag platt am Kopf angeklatscht. Sie hatte sich aus der intellektuellen Wissenschaftlerin in einen Wildfang verwandelt. Aber trotzdem ist sie schön, dachte er. Er fragte sich, wie es wohl sein mochte, unter … angenehmeren Umständen neben diesem Gesicht aufzuwachen.
Einen Moment lang dachte er über sein eigenes Aussehen nach. Er war wie Queen gefoltert worden, doch seine Qual saß tief in den Muskeln. Niemand konnte sie ihm ansehen. Sein zotteliges Haar fühlte sich schwerer an als gewöhnlich. Wahrscheinlich völlig schlammverkrustet, dachte er. Die Kleider klebten ihm feucht an der Haut. Er rieb sich über die Wangen. Die Stoppeln waren länger als sonst, beinahe schon ein Bart, und sein Ziegenbärtchen musste dringend mal geschnitten werden.
King hätte beinahe aufgelacht, als ihm bewusst wurde,dass er sich zum ersten Mal in seiner Karriere als Delta-Agent mitten während einer Mission Gedanken über seine äußere Erscheinung machte. Doch dann fiel sein Blick auf den Rucksack neben Sara und erinnerte ihn daran, dass sie mehr war als ein hübsches Gesicht. Sie war Pawn. Und das Heilmittel gegen Brugada – möglicherweise das Schicksal der Menschheit – hing von ihrem Erfolg ab.
Er beugte sich zu ihr, tätschelte ihr sanft die Wange und versuchte zu ignorieren, wie weich sie sich anfühlte. »Pawn, aufwachen.«
Sara stöhnte. Er griff nach ihrer Schulter und drückte sie. »Autsch«, sagte sie. »Ich bin wach, ich bin ja wach.«
Sie setzte sich auf, rieb sich die Augen und stieß einen Grunzlaut aus.
»Sie können sich später beklagen«, sagte King. »Sie müssen die Blutprobe im Rucksack analysieren.«
Sara wälzte sich stöhnend herum. Sie musterte King mit seinen wirren, dreckverklumpten Haaren und grinste: »Ist noch ein bisschen Espresso da?«
»Ich fürchte, der Generalmajor hat alles ausgetrunken.«
King betrachtete Saras Lächeln. Trotz der vertrackten Lage und ihrer offenbar überdurchschnittlichen Intelligenz wirkte sie in diesem Augenblick wie ein ganz normaler Mensch. Aber das war sie nicht. Nicht ganz. »Also, was ist los mit Ihnen?«
»Was meinen Sie?«
»Das Schnüffeln. Das Lauschen. Sie spüren die Dinge lange vor mir.«
»Macht Ihnen das etwas aus?«
Die Wahrheit war, dass es ihn ein wenig beunruhigte. Er hatte seine Karriere auf seinen schnellen Reflexen, geschärften Sinnen und einem wachen Verstand aufgebaut.Sie schien ihm in all diesen Belangen überlegen zu sein. Lediglich
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