Operation Ocean Emerald
Schulter verließ Juliette die Kabine und trat auf den Gang hinaus.
An seinem Tisch im Kontrollraum riss Craig Thomson eine Cola-Dose auf und nahm einen großen Schluck. Er ließ den Blick über die Monitore schweifen. Die Fahrzeuge, die an der Versorgung der Ocean Emerald beteiligt waren, entfernten sich nach und nach vom Pier. Bald würde die Gangway geschlossen werden. Die Crew bereitete bereits das Auslaufen des Schiffes vor.
Thomson öffnete den Brief, den der Schiffsagent in Helsinki mit der übrigen Post an Bord gebracht hatte. Der Umschlag enthielt das neue Kreuzfahrtprogramm der Queen Mary 2 von der Reederei Cunard. Thomson blätterte die Broschüre durch. Die größten Kabinen trugen die Namen der Residenzen des britischen Königshauses – Sandringham, Windsor, Balmoral und Buckingham – und gingen über zwei Stockwerke. Einige davon verfügten über mehr als zweihundert Quadratmeter Fläche.
Wieder warf er einen Blick auf die Monitore an der Wand. In den verschiedenen Hallen und Sälen waren eine Menge Passagiere unterwegs. Auf einem der Monitore sah man Max Lownie junior auf das Öffnen des Casinos warten. Auf einem anderen Bildschirm marschierte die sportliche Französin, die in Helsinki an Bord gekommen war, mit einer Sporttasche über der Schulter auf dem Sonnendeckgang in Richtung Fitnessraum.
Auf die Queen Mary 2 kamen Superstars aus dem Showbusiness und große Namen aus der Politik, so wie früher auf die Ozeandampfer, die den Atlantik überquerten. Dort hätte dann auch der Sicherheitschef einen ganz anderen Status. Hier, auf der Ocean Emerald, hatte Thomson oft das Gefühl, nur ein notwendiges Übel zu sein. Mehr Lamm als Wolf, trotz seines Spitznamens, und den anderen im Weg. Das ärgerte ihn.
Zwangsläufig musste er an seine gescheiterte Karriere beim FBI denken und das rief ihm wieder die tragischen Ereignisse in Erinnerung, die zwei Agenten vom Drogendezernat das Leben gekostet hatten. Er sollte vielleicht lieber als Sicherheitsexperte in der Industrie arbeiten, anstatt in seiner jetzigen Position ständig vor sich hin zu nörgeln.
Sogleich fiel ihm der Steward wieder ein, der auf Deck 9 an dem Verteilerkasten herumgefummelt hatte. Emilio Fernández. Thomson war stolz auf sein Gedächtnis. Er tippte den Namen in den Computer ein und schon erschien das Foto eines ernst dreinblickenden Filipinos auf dem Bildschirm. Der Mann arbeitete seit drei Monaten auf dem Schiff. Er war über eine Agentur in Manila eingestellt worden.
Etwas an dem ernsten Gesicht störte Thomson. Er nahm einen Schluck Cola und beschloss, sich den Verteilerkasten bei Gelegenheit noch einmal genauer anzuschauen.
In dem Moment meldete sein Computer das Eintreffen einer neuen E-Mail .
Thomson öffnete die Mitteilung. Sie kam von seinem ehemaligen Kollegen, dem er eine Anfrage zu Philippe Delacroix geschickt hatte.
Hallo Wolf,
schön, nach so langer Zeit mal wieder etwas vor Dir zu hören! Wie lebt es sich denn so auf einem Millionärsschiff? Interessant, dass P. Delacroix an Bord ist. Er steht ständig und unverrückbar auf unserer Liste der zu beobachtenden Personen. Seitdem ihre Konten eingefroren sind und der Geldverkehr überwacht wird, verschiebt al-Qaida ihr Geld mithilfe von Kunst- und Diamantengeschäften und Delacroix hat sich in den entsprechenden Kreisen bewegt, u. a. im April in Buenos Aires. Ihn solltest Du im Auge behalten.
Gruß, Y.
Besorgt speicherte Thomson die Mail. Egal, ob Kapitän Hagen ihn für übervorsichtig hielt oder nicht, er beschloss, bei passender Gelegenheit die Kabine von Delacroix zu überprüfen. Einerseits musste er sich eingestehen, dass der Alltag an Bord langweilig war und man sich mit kleinen Dingen Abwechslung verschaffen musste, andererseits machte er sich ernsthaft Sorgen.
Er stand auf und sah noch einmal auf die Reihe der Monitore. Die Gangway wurde entfernt, die Leinen am Heck und am Bug des Schiffes wurden gelöst und gleichdarauf war Wasser zwischen Schiff und Pier zu erkennen.
Thomsons Blick hielt bei dem Bild inne, das aus dem Fitnessraum kam. Die Französin schlängelte sich zwischen den Geräten hindurch zur Damenumkleidekabine. Dort gab es keine Überwachungskamera.
13
Das traditionelle Nebelhorn tutete drei Mal zum Zeichen des Aufbruchs.
Aaro drehte den Kopf, so weit es ging, bis er den unteren Rand des Panoramafensters sehen konnte, vor dem sich die Hafengebäude immer weiter entfernten – langsam, aber sicher. Er ließ den
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