Operation Ocean Emerald
einen Bären davon abhalten, sich auf sein Opfer zu stürzen?
Er begriff, wie kindisch sein langjähriger Traum war, später einmal Privatdetektiv zu werden. Plötzlich sahen auch viele andere Dinge anders aus als zuvor, sogar seine Schmächtigkeit ärgerte ihn jetzt. Warum betrieb er nicht irgendeinen Kraftsport zum Muskelaufbau?
Sein Vater hatte früher im selben Zimmer in Porvoo gehaust, das jetzt Aaro gehörte, und die alten Hanteln des Vaters lagen noch immer unter dem Bett. Ein paarmal hatte Aaro versucht, sie zu stemmen, und sich dabei die »Vorher-Nachher«-Bilder aus der Werbung im Shopping-TV vor Augen gehalten, aber ruck, zuck war er dann wieder vorm Bildschirm oder bei einem Buch gelandet. Vielleicht war er einfach dazu verdammt, nur die »Vorher«-Aufnahmen zu repräsentieren. Er interessierte sich zwar sehr für Sport, allerdings nur, wenn es ums Wetten ging.
Außerdem waren Muskeln, wenn es ernst wurde, ohnehin keine Hilfe. Das Einzige, was half, war das Gehirn, wie sein Vater immer wieder predigte. Und der wusste, wovon er sprach.
Die Kabinentür ging auf. Aaro brachte seinen Körper intuitiv in Spannung. Er hob den Kopf, um durch den Türspalt zu sehen, wer gekommen war. Bald müsste er auch mal auf die Toilette …
Aus dem Nebenzimmer hörte er Geräusche, als würde jemand seine Koffer packen.
Dann kamen die Schritte näher. Hatten sie vor, ihm etwas anzutun?
Juliette du Pont erschien in der Tür. Aaro hätte sie fast nicht erkannt, denn sie war nicht geschminkt, trug keinefemininen Kleider und versuchte gar nicht erst zu lächeln. Sie war jetzt eine Terroristin mit angespannten Gesichtszügen, sie trug Jeans, ein graues Sweatshirt und in der Hand eine Pistole. An einem Ohr war ein unauffälliger Kopfhörerbügel befestigt und ein anderer dünner Bügel bog sich bis vor den Mund. An dessen Spitze war ein Mikrofon angebracht, wie bei einer Sängerin im Musical.
Juliette kam näher und schob die Hand in die Tasche. Aaro hielt den Atem an und spürte, wie sein Puls sich beschleunigte.
»Auf den Bauch!«, befahl Juliette mit gesenkter, strenger Stimme und zog etwas aus der Tasche.
»Was …«
»Tu, was ich dir sage.«
Ihr Tonfall ließ Aaro keinen Verhandlungsspielraum. Er drehte sich auf den Bauch. Juliette beugte sich über ihn, griff nach den Handschellen und öffnete sie mit dem Schlüssel, den sie aus der Tasche gezogen hatte.
»Wissen Sie …«, fing Aaro an und musste schlucken, um weiterreden zu können, »… wissen Sie, dass der Mensch, der die längste Zeit am Stück Handschellen getragen hat, ein malaysischer …«
»Aufstehen«, sagte Juliette.
Aaro rappelte sich auf und musste sich dabei am Bett abstützen. Er spürte das Blut in den Händen zirkulieren, die wegen der Unbeweglichkeit kreidebleich geworden waren. Gleichzeitig fingen sie gnadenlos an zu stechen, während sie ihre Taubheit verloren.
Juliette wies auf die Tür. »Geh!«
Aaro wusste, dass er die Frau verdattert anglotzte, aber er konnte nichts dagegen tun.
»Verzieh dich! Du bist genauso ein Gefangener wie alle anderen auf dem Schiff, aber du bekommst jetzt keine Sonderbehandlung mehr.«
Gleichzeitig legte Juliette die Hand auf den Kopfhörer und kehrte Aaro den Rücken zu, um leise etwas in ihr Mikrofon zu sprechen.
Aaro versuchte, die Gelegenheit zu nutzen und sich sein Handy auf dem Tisch zu schnappen, aber genau im kritischen Augenblick drehte sich Juliette wieder um. Unsicher zog sich Aaro darum durch die Tür in das andere Zimmer der Suite zurück. Juliette sprach weiter über Funk mit jemandem.
Aaro blickte sich um. Nichts verriet, was in der Kabine vor sich gegangen war. Auf der Couch lagen einige Kleidungsstücke und eine Umhängetasche, daneben lag eine Plastiktüte mit braunen Bohnen oder Steinchen, es sah aus wie Hundefutter. Hatten die Entführer einen Dobermann oder einen Deutschen Schäferhund dabei?
»Verschwinde«, fuhr Juliette, die jetzt in der Tür stand, Aaro an.
Er öffnete die Kabinentür und huschte hinaus, aus Angst, die Frau könnte es sich anders überlegen. Neben dem Schrank mit dem Feuerlöschzubehör blieb er stehen, rieb sich die schmerzenden Handgelenke und überlegte, wohin er gehen sollte.
Auf dem Gang war niemand zu sehen. Hatte man dieanderen Passagiere in ihren Kabinen eingesperrt oder waren alle in einem großen Raum zusammengetrieben worden, wo man sie im Auge behalten konnte? Da Aaro ohne Ticket an Bord war, hatte er auch keine Kabine, in die er
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