Operation Ocean Emerald
gehen konnte.
Er eilte über den Gang zur Aufzugshalle und hatte das Gefühl, frei zu sein, obwohl er wusste, dass er nach wie vor gefangen war. Er wollte so schnell wie möglich mit jemandem sprechen. Die leeren Gänge des Luxusliners wirkten gespenstisch.
20
»HNMS Tromp der Königlichen Niederländischen Marine ruft Ocean Emerald.
Over.
«
Kommandant van Heerevelt lehnte an der Ablage vor den großen Fenstern der Kommandobrücke und verfolgte, was seine Untergebenen taten. Heftiger Regen schlug gegen die Scheiben, aber die Tropfen waren im schwachen Schein der Kontrolllampen kaum zu erkennen. Die Tromp schaukelte bei zunehmend stärker werdender Heckwelle und die Vibration des Antriebspropellers übertrug sich auf die breite Fensterbank. Das digitale Log zeigte mit roten Leuchtbuchstaben die Geschwindigkeit an. Abwechselnd leuchteten die Ziffern 32.9 und 33.0 Knoten auf.
»Hier Ocean Emerald. Over.«
»Wir haben Ihr Notsignal empfangen. Was ist passiert?«
»Das Notsignal kam durch einen technischen Fehler bei Wartungsarbeiten zustande. Wir haben keine Probleme und bedauern den Vorfall.«
Einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann ging van Heerefelt zu dem Offizier mit dem Mikrofon und streckte die Hand aus. Der Offizier gab ihm das Mikrofon und van Heerevelt reckte die Brust nach vorne.
»Guten Abend, hier spricht der Kommandant der HNMS Tromp. Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass es sehr bedauerlich ist, wenn einem großen Passagierschiff aus Versehen ein GMDS S-Signal entwischt. Sie werden sicherlich verstehen, dass Sie womöglich eine große Rettungsaktion ausgelöst haben.«
»Hier spricht Kommandant Hagen von der Ocean Emerald, guten Abend, Herr Kollege. Ich bin völlig Ihrer Meinung, aber leider ist es nun einmal passiert und lässt sich nicht ungeschehen machen. Ich bedaure das aufrichtig.«
Van Heerevelt glaubte, in Hagens Stimme einen nervösen Unterton zu hören.
»Na schön. Gute Reise noch!«
»Danke. Ebenfalls.«
Van Heerevelt legte das Mikrofon aus der Hand. »Neuer Kurs 189, Geschwindigkeit 19 Knoten.«
Die Turbinen wurden angehalten und die Tromp kehrte wieder zum Dieselantrieb zurück. Das Schiff schaukelte eine Zeit lang im seitlichen Wellenschlag, während es in südliche Richtung drehte. Dann zerteilte es wieder unerschütterlich die inzwischen meterhoch aufschäumenden Wellenberge. In regelmäßigen Abständen schlug Wasser von der Bugwelle gegen die Fenster der Kommandobrücke, als würden sie mit dem Feuerwehrschlauch abgespritzt.
Van Heerevelt verließ die Brücke. Etwas war seltsam an der Sache mit der Ocean Emerald, aber er konnte nicht sagen, was. Er beschloss, darüber einen Bericht an das Oberkommando der Marine in Den Helder zu schicken – für alle Fälle.
Aaro hatte den Ernst der Lage begriffen, aber erst das Verhalten der anderen Passagiere ließ ihn wirklich in Panik geraten. Sogar abgebrüht wirkende Manager und Rechtsanwälte rannten schockiert auf Deck 7, um ihre Handys abzuliefern. Andererseits hatte es auch etwas Erleichterndes, in dieser Situation nicht alleine dazustehen.
Aaro wusste allerdings, dass er der Einzige war, der so etwas wie Insider-Informationen über die Entführer besaß. Und inzwischen hatte er auch einen Plan. Der war zwar riskant, aber realisierbar.
Er ging fast im Laufschritt und merkte, dass er überdreht war, wie seine Mutter immer sagte. Es war ein komisches Gefühl, an seine Eltern oder Niko zu denken. Alles, was er vor wenigen Stunden erst auf dem Festland zurückgelassen hatte, kam ihm nun wie ein ferner Traum vor. Ob sein Vater schon gemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte?
Widersprüchliche Gedanken schossen Aaro durch den Kopf: einerseits die Angst, seine Initiative könnte scheitern und dazu führen, dass er die anderen Passagiere in Gefahr brachte, andererseits die Angst, zu vorsichtig zu sein und nicht alles zu unternehmen, wozu er fähig wäre.
Am besten war es, sich nicht sinnlos den Kopf zu zerbrechen, sondern so zu handeln, wie es die Lage diktierte. Jetzt musste er erst mal auf die Kommandobrücke kommen, aber wo war die bloß? Das Schiff hatte die Größe eines Einkaufszentrums, war aber viel labyrinthischer.
Aaro ging gerade an der dunklen Glastür des Casinos vorbei, da sah er zu seiner Überraschung einen einsamenSpieler vor einem Automaten sitzen. Es war irgendwie beruhigend, dass einer die Nerven hatte, sogar in dieser Situation noch ein Spielchen zu machen. Aaro ging zu der imposanten Gestalt und
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