Operation Ocean Emerald
Gefühl an, das sich aus Stolz und Rührung zusammensetzte.
Der vollkommen durchnässte Thomson hielt Aaro im Arm, als er vom Rettungsboot auf das Deck der Ocean Emerald stieg. Rosita legte eine Wolldecke um Aaro. Der Junge war grau im Gesicht und starrte vor sich hin, als verstünde er überhaupt nicht, was um ihn herum und mit ihm geschah.
Er stammelte etwas und Thomson hielt das Ohr dicht an den Mund des Jungen. »Wissen Sie … dass der Mensch, der es am längsten ohne Hilfe im Wasser ausgehalten hat, der brasilianische Fischer Juan war … den Nachnamen hab ich grad vergessen …«
Juliette kam mit der Maschinenpistole in der Hand auf Thomson zu. »Dafür hast du dich also entschieden?«
»Es gab nichts zu entscheiden«, erwiderte Thomson kalt und marschierte mit Aaro auf dem Arm auf die Tür zu. »Da unten war nichts als Chaos und Finsternis.«
Juliette trat ihm in den Weg, ihr nasses, totenbleiches Gesicht glänzte im Licht der Deckbeleuchtung. »Du kannst dich bestimmt erinnern, was ich gesagt habe«, schrie sie mit fanatischer, greller Stimme.
Thomson ging an ihr vorbei und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Bring deine Beute nur hinein. Danach kannst du kommen und dir ansehen, was dein Versagen angerichtet hat.«
Nachdem Thomson verschwunden war, sagte Juliette in ihr Funkgerät: »Emilio, bring den Kapitän hierher!«
Drei Seemeilen von der Ocean Emerald entfernt trieb die HNMS Tromp ohne Beleuchtung auf den Wellen. Kommandant van Heerevelt stand auf dem Bootsdeck, wo mit einer elektrisch betriebenen Winde gerade das rote Schlauchboot der Tromp eingeholt wurde.
Van Heerevelt wischte sich die Spritzer aus dem Gesicht und musterte neugierig den Mann, der aus dem Boot stieg. Ein Marinesoldat in schwarzem Nassanzug stützte ihn.
Von der Ocean Emerald war per Signallampe mitgeteilt worden, dass zwei Personen über Bord gegangen waren. Der Versender der Nachricht hatte abbrechen müssen, aber van Heerevelt hatte befohlen, das Rettungsboot zu Wasser zu lassen. Zum Glück. Sonst hätte der Passagier der Emerald nicht überlebt.
»Dieu merci«
, sagte der Mann in einem fort.
»Gebt ihm trockene Kleider und bringt ihn dann in meine Kabine«, sagte van Heerevelt. Er war neugierig zu hören, was auf der Emerald geschehen war. Es sah aus, als hätten die Entführer den Mann ins Meer geworfen.
Wenig später zog sich Delacroix in der Krankenstation des Schiffes trockene Kleider über. Dabei gab er sich schockierter und schwächer, als er in Wirklichkeit war.
Er war sicher gewesen, zu ertrinken, bis plötzlich das rote Schlauchboot neben ihm aufgetaucht war. Nun überlegte er, wie er am besten vorgehen sollte.
Der Arzt brachte ihn in die Kabine des Kommandanten. Delacroix schlurfte absichtlich mühsam und sorgte dafür, dass seine Hände zitterten.
»Van Heerevelt«, stellte sich der große, aufrechte Mann vor und streckte die Hand aus. »Wie fühlen Sie sich?«
Delacroix seufzte schwer und ließ sich in den Sessel sinken, den van Heerevelt ihm anbot.
»Sind Sie von den Entführern ins Meer geworfen worden? Wie geht es den anderen Passagieren?«
Delacroix seufzte erneut, noch schwerer als zuvor. Sein Gehirn analysierte fieberhaft die Lage – man hielt ihn für einen Passagier. »Ich kann mich an nichts erinnern …«, flüsterte er heiser. »Wo bin ich? Was ist passiert?«
»Geben Sie die Anweisung, mit voller Kraft voraus nach Kaliningrad weiterzufahren, und folgen Sie mir«, sagte Emilio, der nach wie vor die Steward-Uniform trug, zu Kapitän Hagen auf der Kommandobrücke der Ocean Emerald.
Dem Kapitän fiel es schwer, seine Erschütterung zu verbergen, als ihm klar wurde, dass sich ein Entführer unter seine Crew geschlichen hatte – oder sogar mehrere. Die Entführung von Frachtschiffen mithilfe dieser Methode war üblich: Ein Mitglied einer kriminellen Bande wurde unter die Besatzung geschleust und gab per Handy Auskunft über die Fracht und die Position des Schiffes. Die Reedereien waren dagegen machtlos. Auch verzichtete man auf eine Bewaffnung der Schiffe, um den Ausbruch von blutiger Gewalt zu vermeiden. Die Ölkonzerne investierten mehr Geld in die Diebstahlsicherung einer Tankstelle als in die Absicherung eines Supertankers. Diesicherste Methode, keine Menschenleben aufs Spiel zu setzen, bestand darin, keinen Widerstand zu leisten.
Hagen gab dem Steuermann das Kommando, das Schiff wieder in Fahrt zu bringen. Er nahm seine Kapitänsmütze und setze
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