Operation Ocean Emerald
handeln, es hatte keinen Sinn, schon im Voraus zu verzweifeln. Schließlich war er auch bis hierher durchgekommen.
Juliette setzte sich ihm gegenüber und Delacroix auf die andere Seite des Ganges. In der Maschine war es tatsächlich verblüffend eng. Auf beiden Seiten des Ganges waren nur Einzelsitze, insgesamt acht. Flogen Leute wie Bill Gates und Michael Schumacher etwa in solchen Sardinenbüchsen um die Welt?
Die Motoren heulten auf und die Maschine setzte sich in Bewegung. Man spürte die Unebenheit der Startbahn am starken Ruckeln. Juliette schaute aus dem kleinen, ovalen Fenster, obwohl sie wegen der Dunkelheit kaum mehr als ihr eigenes Spiegelbild sehen konnte.
Die Maschine machte eine Kehrtwende und der Lärm nahm zu. Aaro spähte ebenfalls aus dem Fenster, aber von einer Startbahnbeleuchtung war nichts zu erkennen. Konnte man überhaupt ohne eine solche Beleuchtung starten?
Er hoffte es, denn sogleich beschleunigte die Maschine so heftig, dass aus dem Ruckeln ein einziges Vibrierenwurde. Aaro umklammerte die Armlehnen, aber Juliette wirkte gelassen, fast so ruhig wie in dem Moment, in dem Aaro sie zum ersten Mal am Schalter des Purserbüros gesehen hatte.
Plötzlich hörte das Vibrieren auf und die Maschine stieg in die Nacht empor.
38
Timo schaute aus dem Fenster des russischen Mi- 8-Militärhubschraubers auf den Ölfleck, der im Kegel des Suchscheinwerfers auf dem Meer glänzte. Kurz zuvor war an derselben Stelle noch ein 240 Meter langes Luxus-Kreuzfahrtschiff gewesen.
Der unheilvolle Anblick ließ Timo die Fäuste ballen. Sie hatten es mit einer Bande von Entführern zu tun, die zu allem fähig waren. Und diese Leute hatten Aaro als Geisel.
Wenn Aaro bloß nicht versuchte, besonders clever zu sein. Andererseits hatte der Junge ab und zu echt geniale Einfälle. Er besaß ein gutes Gespür für die jeweilige Situation und verfügte über die angeborene Fähigkeit, Erwachsene zu manipulieren. Nur zu oft war es ihm gelungen, seine Mutter, seine Großeltern und sogar Timo selbst mit allerlei Tricks in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. Und mit wildfremden Menschen machte er es, wenn nötig, genauso.
Timo und der neben ihm sitzende Vizechef der KRP sahen sich an. Beide trugen einen Helm, aus dessen Kopfhörer der russische Wortwechsel der Besatzung drang. Timo konnte von seinen Jahren in St. Petersburg her leidlich Russisch.
Der Helikopter flog dem Ufer entgegen. Seine Kabine war äußerst karg eingerichtet, nirgendwo gab es überflüssige Wandverkleidungen oder Polster. Im Lichtkegel des Suchscheinwerfers tauchten unter ihnen jetzt orange Rettungsboote auf, die vor dem Ufer trieben, und gleich darauf an Land eine bunte Schar winkender Menschen. Es waren unglaublich viele.
Timo schärfte intuitiv den Blick, um einen halbwüchsigen Jungen zu erspähen, aber das war nichts als Wunschdenken der übelsten Art. Die Passagiere waren durchnässt und froren, aber wie es aussah, fehlte ihnen sonst nichts.
Der Pilot landete auf einer Wiese etwa dreißig, vierzig Meter vom Strand entfernt, damit der Motor nicht durch aufgewirbelten Sand beschädigt wurde. Timo öffnete den Sicherheitsgurt und wollte gerade aufstehen, als Michail Kowalenko die Hand hob.
»Vom verlassenen Militärflugplatz Romanowo ist offenbar eine Maschine gestartet, die sich bislang geweigert hat, Kontakt mit der Flugleitung in Kaliningrad aufzunehmen«, sagte er in sein Halsmikrofon, sodass Timo es aus dem Kopfhörer in seinem Helm hören konnte. »Wir haben den starken Verdacht, dass es sich um die Maschine der Entführer handelt.«
»Glauben sie wirklich, sie könnten entkommen?«, fragte Timo ungläubig.
»Kontaktaufnahme von der unidentifizierten Maschine zur Flugleitung«, teilte einer der russischen Beamten aus dem Cockpit mit. »Wird an uns durchgestellt.«
»Legt es auf alle Kopfhörer«, sagte Kowalenko und richtete sich in seinem Sitz auf.
»Hört Kaliningrad?« ,
fragte eine rauschende Stimme auf Englisch.
»Wir hören«, antwortete Kowalenko.
»Ich muss wohl nicht eigens erwähnen, was mit der Geisel geschieht, wenn auch nur ein Flugzeug versucht, uns zu folgen, oder wenn unser Flug in irgendeiner Weise behindert wird. Wir werden unsere Forderungen an unserem Zielflughafen stellen, den wir später mitteilen. Bis dahin halten wir Funkstille.«
Die Verbindung brach ab, wurde aber sofort wieder hergestellt.
»Auf dem alten Militärflughafen Romanowo befindet sich ein Amerikaner, der einen Anfall erlitten hat.
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