Operation Overkill
hochgerissen, doch als Richter sich nicht mehr bewegte, brachte er die Waffe wieder in Anschlag. Aber bevor er abdrücken konnte, ging der Revolver los. Der Rückschlag riss Richters Arm hoch, und die 357er-Magnum-Kugel traf den Schläger mitten in der Brust und schleuderte ihn zu-rück. Er war tot, noch ehe er am Boden aufschlug.
Das Echo der Schüsse verhallte zwischen den Hü-
geln. Richter wusste, dass jeden Moment die Gäste auf den Parkplatz stürmen würden, um nachzusehen, was hier los war. Aber er brauchte nur ein paar Sekunden.
Er ging zum ersten Angreifer, der sich gerade aufsetzen wollte und vor Schmerz stöhnte. Richter trat ihm den heilen Arm weg, mit dem er sich aufstützte, worauf er wieder zu Boden sank. Einen Moment lang schien die Zeit stehen zu bleiben, dann richtete Richter den Revolver auf den Bauch des Mannes und spannte den Hahn. Das Klicken kam ihm unnatürlich laut vor.
»Wer hat euch geschickt?«, fragte Richter ruhig und gelassen.
Einen Moment lang sah es so aus, als wollte ihm der Mann nicht antworten, dann schüttelte er den Kopf.
»Die Leute, denen Sie Geld schulden?«, erwiderte er mürrisch.
Es war in etwa so, wie Richter vermutet hatte. Die alte Geschichte – ein Mann hat Spielschulden, die er entweder nicht bezahlen kann oder nicht bezahlen 353
will. Folglich setzt man zwei Gorillas auf ihn an, die ihn zur Vernunft bringen sollen. Er wunderte sich lediglich darüber, dass die Russen so ein Lumpenpack angeheuert hatten.
»Hoffentlich haben sie dir deinen Lohn im Voraus gegeben«, sagte Richter und schob den Smith & Wesson ins Holster. »Denn wenn du nach Leistung bezahlt wirst, springt nicht viel dabei raus. Die Sache mit deinem Freund tut mir Leid«, fügte er hinzu, ehe er zu seinem Auto ging.
Oval Office, Weißes Haus, Pennsylvania Avenue
Nr. 1600, Washington, D.C.
»Walter, nicht wahr?«, fragte der grauhaarige Mann, der aufstand und hinter dem wuchtigen Mahagonischreibtisch hervorkam, als Hicks das Zimmer betrat.
»Ja, Mr. President.«
»Kennen Sie den Verteidigungsminister?«
Hicks wandte sich um und nickte dem Mann zu, der in einem der bequemen Armsessel im Oval Office saß. »Ja, ich kenne ihn. Guten Tag, Mr. Secretary«, sagte er.
»Na schön, Walter, schießen Sie los.«
Hicks setzte sich und öffnete seinen Aktenkoffer.
»So unglaublich es auch klingen mag, Mr. President, aber uns liegen Erkenntnisse vor, die darauf hindeuten, dass Russland einen Angriff auf die Vereinigten Staaten in die Wege leitet.«
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Der Verteidigungsminister sprang auf. »Was zum Teufel soll das heißen? Ist das ein schlechter Scherz?«, herrschte er Hicks an.
Hicks schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein, Mr.
Secretary, das ist keineswegs ein Scherz«, erwiderte er. »Sonst wäre ich nicht hergekommen.«
Der Präsident stand immer noch da und blickte Hicks prüfend an. »Fahren Sie fort, Walter«, sagte er ruhig. »Um was für einen Angriff handelt es sich, und welche Hinweise haben Sie?«
Hicks zog einen Aktenordner mit dem Titel »Ravensong« heraus und begann mit seinem Vortrag.
Cambridge
Richter telefonierte mit seinem Handy zehn Minuten lang mit Simpson und erklärte ihm, was auf der A10
vorgefallen war. Simpson war damit einverstanden, dass die Metropolitan Police ein bisschen Druck auf die Cambridgeshire Constabulary ausüben sollte. Au-
ßerdem dachten sie sich eine Erklärung aus, der zufolge es sich bei dem Vorfall um eine Schießerei unter verfeindeten Bandenmitgliedern gehandelt habe – ei-ne Geschichte, die sogar die Polizei ohne allzu große Schwierigkeiten glauben konnte. Als Richter mit leichter Verspätung in Cambridge eintraf, parkte er in der Nähe des Bahnhofs und fuhr mit dem Taxi zum Department of Theoretical Physics.
Viele Dienststellen der Regierung, darunter auch 355
manch eine aus dem so genannten inoffiziellen Bereich, sind auf die Hilfe sachverständiger Wissenschaftler angewiesen. Infolgedessen wird manch eine Kapazität auf diesem oder jenem Fachgebiet einem geheimen Sicherheitscheck, »Negative Überprüfung«
genannt, unterzogen, ehe man den oder die Betreffende anspricht und nachfragt, ob er oder sie bereit wäre, der Regierung gegen ein eher schmales Jahreshonorar als Berater zur Verfügung zu stehen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg, vor allem aber während der sechziger und frühen siebziger Jahre – nach den peinlichen Pannen, die man mit Burgess, MacLe-an, Philby, Blunt und anderen erlebt hatte –, legten die Sicherheitskräfte
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