Operation Overkill
Neutronenwaffen, aber unter dem Vorbehalt, dass sie in Amerika gelagert werden müssten und nur beim Ausbruch von Feindseligkeiten in Europa eingesetzt werden dürften.
516
Die Russen wiederum, die hauptsächlich hinter den Protesten gegen die Neutronenbombe steckten, hatten insgeheim ihre eigenen ERWs entwickelt. Frankreich hat 1980 die erste eigene Neutronenwaffe getestet und begann 1982 mit der Serienproduktion.«
»Ihr Wissen ist nicht auf dem neuesten Stand, Mr.
Beatty. Wir haben die Produktion dieser Waffen im Jahr 1986 eingestellt. Das ist kein Geheimnis.«
»Einverstanden, Colonel. Aber Frankreich hat die vorhandenen Waffen nicht zerstört, oder? Ebenso wenig die Amerikaner, die nach wie vor bis zu siebenhundert Sprengköpfe mit Neutronenbomben besitzen, alles taktische Waffen, keine strategischen. Die neuesten Erkenntnisse deuten darauf hin, dass zumindest auch China, Israel und Südafrika über Neutronenwaffen diverser Größe und Sprengkraft verfügen.«
Die DST-Männer schienen ihm weiter zu folgen, aber Tony Herron wirkte etwas verwirrt. Richter lächelte ihm zu. »So weit zur Geschichte. Aber es gibt noch zwei andere Sachen, die Sie wissen sollten. Erstens, seit dem Beginn von Glasnost hat Amerika den Russen Milliarden von Dollar für Plutonium aus demontierten Kernwaffen bezahlt. Aus gutem Grund – wenn die USA das Plutonium aufkaufen, müssen es die Russen nicht auf dem Schwarzen Markt anbieten, wo die Gefahr besteht, dass es in die Hände von Terroristen gelangen könnte. Leider liegen nach Aussage von Experten Hinweise darauf vor, dass die Russen in Wirklichkeit Material übergeben haben, das in ihren Atomreaktoren erzeugt wurde, nicht aber waffenfähiges Pluto-517
nium. Das wiederum deutet darauf hin, dass die Russen im Gegensatz zu ihren öffentlichen Verlautbarun-gen ihre Kernwaffen nicht demontiert haben. Zweitens ist allgemein bekannt, dass man zum Bau eines nuklearen Sprengkörpers das im Uran enthaltene Isotop U
235 benötigt, zum Bau einer thermonuklearen Waffe aber braucht man unbedingt Plutonium. Davon ging man bislang aus. Aber das stimmt nicht.« Richter hielt inne und wandte sich an Colonel Lacomte. »Haben Sie schon mal von rotem Quecksilber gehört?«
National Military Command Centre (NMCC),
Pentagon, Washington, D.C.
Um fünfzehn Uhr fünfzehn Ortszeit hatten sich die Vereinigten Stabschefs samt ihrer Adjutanten in der militärischen Kommandozentrale eingefunden, einer Büroflucht im dritten Stock des Pentagon. Der lauteste Bereich des NMCC ist der Nachrichtenraum mit den ratternden Fernschreibern, über die laufend Telexe mit den neuesten Berichten und Mitteilungen aus aller Welt eingehen. An den Wänden hängen Uhren, die auf sämtliche Zeitzonen rund um den Globus eingestellt sind, sowie Karten, auf denen strategische Ziele sowie die Truppenaufstellungen aller Groß- und Mittelmäch-te dargestellt sind. Weitaus ruhiger geht es dagegen im angrenzenden Emergency Conference Room zu.
Der ECR ist in zwei Ebenen unterteilt. Auf der unteren steht ein T-förmiger Tisch, an dessen Längsseite 518
die Offiziere vom Dienst, der so genannte Gefechtsstab, sitzen und Daten zusammentragen und abglei-chen. Am Kopfende sitzen vier für Notfallmaßnahmen zuständige Offiziere vor ihren Konsolen, über die sie mit sämtlichen amerikanischen Streitkräften in aller Welt verbunden sind. Die Vereinigten Stabschefs, das militärische Beraterteam des Präsidenten, sitzen auf einem erhöhten Podium links des Tisches, an dem der Gefechtsstab Platz genommen hat. Auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich sechs riesige Bildschirme, auf denen Karten von allen Gegenden der Welt abgebildet werden, dazu Aufmarschpläne, Ta-bellen, Aufklärungs- und andere Fotos, Einzelheiten über Truppenkonzentrationen und andere Grafiken, die zur Darstellung der militärischen Lage dienen.
Das NMCC ist ebenso wie der Situation Room im Weißen Haus, das Luftverteidigungskommando im Cheyenne Mountain sowie die unterirdischen Bunker-anlagen auf der Offutt Air Force Base und bei Raven Rock Teil des umfassenden Kommandosystems der Vereinigten Staaten, das per Telefon, Fax, Fernschreiber, Satellit, Funk und Computer miteinander verbunden ist. Obwohl der Bericht zur Lage im Pentagon vorgetragen wurde, konnten die an den anderen Stützpunkten zugeschalteten Offiziere jedes Wort mithören.
Normalerweise hätte der höchste Offizier des Gefechtsstabes, ein General der Army, den Vortrag für die Vereinigten
Weitere Kostenlose Bücher