Operation Overkill
Stabschefs gehalten. Doch die Lage war alles andere als normal.
»Meine Herren«, begann der General ohne jede 519
Vorrede, »wir sind mit einer Gefahrensituation kon-frontiert, hinter der möglicherweise Kräfte stecken, die unzufrieden mit den derzeitigen Verhältnissen in der ehemaligen Sowjetunion sind. Obwohl keinerlei Hinweise auf offenkundige Truppenverlegungen oder Manöver vorliegen, wurden wir auf eine Bedrohung aufmerksam, die sowohl die Vereinigten Staaten als auch Westeuropa betrifft. Die Unterweisung wird in zwei Teilen stattfinden. Zunächst wird Ihnen Mr. Walter Hicks, Direktor für die Einsatzplanung der Geheimdienste bei der Central Intelligence Agency und derzeit amtierender Direktor der CIA, die Hintergründe und den Umfang dieser Bedrohung darlegen.
Wenn er fertig ist und alle Fragen beantwortet hat, die Sie ihm stellen wollen, werde ich Ihnen mitteilen, wie das Weiße Haus auf diese Gefahr reagiert und welche Schritte man dagegen zu unternehmen gedenkt.«
Der General warf einen Blick nach links und nickte.
Walter Hicks drückte seine Zigarre in dem links neben ihm stehenden Aschenbecher aus, stand auf und ging zum Vortragspult.
Amerikanische Botschaft,
Grosvenor Square, London
Um neun Uhr fünfzig klingelte das Haustelefon auf Roger Abrahams’ Schreibtisch. Er legte die Akte beiseite, mit der er gerade beschäftigt war, und nahm den Hörer ab. »Abrahams.«
520
»Hier ist die Zentrale, Sir. Ich habe einen Anruf für Sie. Der Anrufer will seinen Namen nicht nennen, sagt aber, es handle sich um eine dringende persönliche Angelegenheit«, erklärte der Telefonist der Botschaft.
»Was für ein Landsmann?«, fragte Abrahams.
»Ein Brite, Sir, eindeutig.«
»Okay«, sagte Abrahams. »Sehen Sie zu, dass das Band läuft, und stellen Sie ihn durch.«
Ein kurzes Klicken, dann herrschte einen Moment lang Stille. »Hallo«, sagte Abrahams.
»Guten Morgen, Roger«, meldete sich eine bekannte Stimme, die angespannt klang, nicht so locker und lässig wie sonst. »Ich nehme an, ihr zeichnet den Anruf auf, deshalb werde ich mich nicht wiederholen.«
Der Anrufer stockte kurz, dann sagte er vier Worte.
»Anatidae. Zehn Uhr zehn.«
Die Verbindung wurde unterbrochen, aber Abrahams hatte begriffen, was der Anrufer meinte. Er warf einen Blick auf seine Uhr, betätigte dann die Schnell-ruftaste und meldete sich beim Fuhrpark. »Abrahams.
Ich brauche sofort einen Wagen.«
Le Moulin au Pouchon, St. Médard, bei Manciet,
Midi-Pyrénées, Frankreich
»Ausgezeichnet«, murmelte Hassan Abbas, während er zum dritten Mal die entschlüsselte E-Mail von Dimitri Truschenko las.
Genau genommen hatte er von dem Russen zwei 521
Nachrichten erhalten. In der ersten hatte er ihm lediglich mitgeteilt, dass er an seinem sicheren Aufenthaltsort eingetroffen sei, ohne ihm zu verraten, wo das war. Abbas war mehr als erleichtert gewesen, als er das gelesen hatte. Er hatte sich Sorgen gemacht, weil der Russe ziemlich lange nichts mehr von sich hatte hören lassen. Jetzt aber wusste er, dass Truschenko lediglich seine Wohnung in Moskau verlassen und sich in seinen Unterschlupf begeben hatte, während die letzte Phase von Operation Podstawa anlief. Abbas vermutete insgeheim sogar, dass Truschenko womöglich die Gemeinschaft unabhängiger Staaten verlassen und sich nach Griechenland oder in die Türkei abgesetzt hatte. Wo er war, spielte indes keine Rolle, Hauptsache, die russischen Behörden konnten ihn nicht finden.
Die zweite Nachricht enthielt nähere Angaben zur Aufstellung der letzten beiden Waffen. Der russische Küstenfrachter lief demnächst planmäßig in Gibraltar ein, und der Konvoi, der den für London bestimmten Sprengkörper transportierte, sollte laut der letzten te-lefonischen Durchsage an diesem Morgen in Deutschland eintreffen. Wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkam, müssten beide Waffen rechtzeitig vor Ort sein.
Abbas rieb sich die Hände, öffnete sein Schreibprogramm und setzte eine Mitteilung auf, die er an Sadoun Khamil in Saudi-Arabien senden wollte.
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Französisches Innenministerium,
Rue de Saussaies, Paris
Der Colonel richtete sich auf. »Was genau ist rotes Quecksilber?«
»Rotes Quecksilber war die Substanz, die Sam Cohen eine Heidenangst einjagte. Es handelt sich um ei-ne Quecksilberverbindung, die einer massiven Strahlung ausgesetzt wurde, was für gewöhnlich in einem Kernreaktor geschieht, und die immense Hitze und einen gewaltigen Druck erzeugt, wenn sie zur
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