Operation Overkill
Sie sich noch?«
535
Lacomte nickte.
»Das ist das Zündrelais. Sämtliche Waffen werden per Funkimpuls gezündet, den die Russen jederzeit auslösen können.«
»Wie zum Teufel haben sie die Bomben in die Staaten geschafft?«
»Teils geschmuggelt, teils als Diplomatengepäck deklariert – das muss nicht unbedingt die Aktentasche eines königlichen Boten sein, müssen Sie wissen. Darunter kann so ziemlich alles fallen, vom einfachen Briefumschlag bis zum Sattelschlepper.«
»Ich kann ja durchaus verstehen, weshalb sie es weder bestätigen noch dementieren wollen«, wandte Tony Herron nachdenklich ein. »Aber Sie sagten doch, es handle sich dabei um herkömmliche Kernwaffen.
Was hat es dann mit diesen superstarken Neutronenbomben auf sich? Ich dachte, darum geht es vor allen Dingen.«
»So ist es«, erwiderte Richter. »Die in Amerika stationierten Waffen sind nur ein Teil vom Ganzen. Europa lässt sich nämlich nicht so ohne weiteres einnehmen, da sowohl die Briten als auch die Franzosen über ihr eigenes nukleares Abschreckungspotenzial verfügen.
Das heißt, dass Russland selbst dann, wenn Amerika ausgeschaltet wäre, schwerste Verluste erleiden würde, wenn seine Truppen nach Westeuropa vorstoßen sollten. Folglich mussten sich SWR und GRU etwas einfallen lassen, wie sie dieses britischfranzösische Gegen-schlagpotenzial ausschalten könnten, ohne dass Europa dabei zum nuklearen Ödland wird. Und genau da-536
für sind die strategischen Neutronenbomben mit ihrer gewaltigen Sprengkraft bei einer nur kurzfristigen Strahlungsbelastung wie geschaffen. Sie könnten einen derartigen Sprengkörper unter dem Eiffelturm hochgehen lassen und fünf Tage später zwischen den Überresten des Bois de Boulogne spazieren gehen. Ab und zu müssten sie vermutlich über ein paar Leichen hinwegsteigen, aber sie brauchten weder Schutzanzü-
ge noch Gasmasken.«
Colonel Lacomte schüttelte den Kopf. »Das ist ja unglaublich«, sagte er.
»Ganz recht«, erwiderte Richter, »aber trotzdem deutet alles darauf hin.«
»Selbst wenn wir annehmen, dass es zutrifft«, fuhr Lacomte fort. »Was können wir dagegen unternehmen?«
»Wir können nur eins tun«, erwiderte Richter, während er die Akte »Overkill« zuklappte. »Wir müssen verhindern, dass die letzte Neutronenbombe, die für London bestimmte Waffe, ihr Ziel erreicht. Denn dann ließe sich vielleicht immer noch ein Patt erzwingen, weil auch die Briten nach wie vor mit einem atomaren Gegenschlag drohen könnten. Und Sie sind davon genauso betroffen, weil Orlows Aussagen zufolge auch in Paris und Toulouse, in Nizza und Bordeaux Bomben gelegt wurden.«
19
Dienstag
Französisches Innenministerium, Rue de Saussaies,
Paris
Das Klopfen klang in der darauf folgenden Stille ungewöhnlich laut. Lacomte winkte einem der DST-Männer zu, worauf dieser aufstand und die Tür öffnete. Er unterhielt sich kurz mit jemandem, der davor stand, kam dann zurück und murmelte Lacomte etwas zu. Der Colonel blickte zu Richter und Herron und wechselte dann ein paar Worte mit dem DST-Offizier, der unverzüglich den Raum verließ. »Wir haben ein paar Gäste«, sagte er, »die Ihre Aussage möglicherweise bestätigen können.«
»Wen?«, fragte Herron und warf Richter einen kurzen Blick zu.
»Zwei Herren von der amerikanischen Central Intelligence Agency«, erwiderte Lacomte, als die Tür aufging und John Westwood und Miles Turner eintraten.
Westwood blieb unmittelbar hinter der Schwelle stehen, ließ den Blick durch das Zimmer schweifen und schaute dann Richter an. »Paul?«, sagte er, als sei er sich seiner Sache nicht ganz sicher.
»John Westwood«, sagte Richter. »Lange nicht gesehen. Wie zum Teufel kommen Sie hierher?«
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Rozvadov, Tschechien
Westlich von Rozvadov hielt der Konvoi am Ende einer Fahrzeugschlange, die sich rund anderthalb Kilometer bis zur tschechischdeutschen Grenze staute. Die meisten davon waren Lastwagen, wie Modin feststellte, was vermutlich hieß, dass sie länger aufgehalten wurden, bis die deutschen Zöllner Fracht und Papiere überprüft hatten.
»Ich nehme an, diesmal können wir nicht auf unseren Status als Diplomaten verweisen und darum bitten, dass wir schneller abgefertigt werden«, sagte Bykow.
Modin schüttelte den Kopf. »Nein«, entgegnete er knapp. »Vergessen Sie nicht, Wiktor, dass der Lastwagen angeblich Möbel und Einrichtungsgegenstände für unsere Botschaft in London geladen hat. Wir können wohl schwerlich darauf verweisen, dass
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