Operation Overkill
den Lastwagen an.«
Leichter gesagt als getan, dachte Richter. Doch es könnte durchaus klappen. Aber er war sich nicht sicher, ob es so einfach vonstatten gehen würde, wie Lacomte meinte. »Na schön«, sagte Richter. »Meinetwegen. Aber einen Lastwagen kann man nicht so einfach anhalten. Was machen wir, wenn der Fahrer einfach weiterfährt – wenn er den ausdrücklichen Befehl dazu hat?«
»Wir täuschen einen Unfall vor«, sagte Tony Herron.
»Was meinen Sie damit?«
»Die Russen dürfen keinen Verdacht schöpfen.
Wenn in Richtung Süden keinerlei Verkehr unterwegs ist und sie von niemandem überholt werden, fällt ihnen das vermutlich auf, und sie rechnen mit irgendwelchen Schwierigkeiten. Deshalb tun wir so, als hätte es einen Unfall gegeben – einen schweren, sodass die Autobahn in Richtung Norden komplett gesperrt werden musste –, und lassen in südlicher Richtung 565
Rettungswagen auffahren. Jede Menge Blinklichter, ein Riesendurcheinander, und überall Leute, die auf der Fahrbahn herumlaufen.«
»Ja«, sagte Lacomte. »Das könnte klappen.«
»Der Konvoi muss anhalten, und wenn alle Fahrzeuge stehen, sollte es nicht allzu schwer sein, den Begleitschutz auszuschalten. Vielleicht könnte man einen Gendarmen vorschicken, der sich erkundigt, ob in einem der Fahrzeuge ein Arzt sitzt, um einen Erste-Hilfe-Kasten bittet oder so was Ähnliches. Irgendetwas, damit sie abgelenkt werden.«
»Sehr gut«, sagte Richter und wandte sich an Lacomte. »Können Sie das organisieren?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte Lacomte. »Wir nehmen zwei Sattelschlepper und stellen sie quer zur Fahrbahn, so als wären sie beim Überholen zusammengestoßen. So etwas kommt in Frankreich häufig vor«, fügte er hinzu.
»Mit der genauen Einsatzplanung befassen wir uns, wenn ich mit dem SAS-Offizier gesprochen habe«, sagte Richter. »Aber wir sollten die Stelle festlegen, an der der Zugriff erfolgen soll, damit Sie alles vorbereiten können.«
Lacomte nickte und nahm sich wieder die Karten vor. Der andere DST-Mann kehrte ebenfalls zurück und teilte ihnen mit, dass kurz hinter Straßburg ein schwerer Wasserrohrbruch aufgetreten sei, sodass sämtliche Schwertransporter nur langsam zur Autobahn durchgewunken werden könnten. Personenwagen, fügte er lächelnd hinzu, könnten die Baustelle relativ mühelos passieren.
566
Eine halbe Stunde später hatten sie die richtige Stelle gefunden. Der Zugriff sollte auf der A26 zwischen Laon und St. Quentin erfolgen, genau zwischen Anschlussstelle 13 bei Chambry, unmittelbar nördlich von Laon gelegen, und Anschlussstelle 12, bei Courbes. Falls es zu einem Schusswechsel kommen sollte, ließe sich dort ohne weiteres eine Erklärung dafür finden, da sich südlich der Autobahn, zwischen Vivai-se und Couvron-et-Aumencourt, ein Truppenübungs-platz befand.
»Wen wollen Sie für den Zugriff einsetzen?«, fragte Richter.
»Die Gigènes«, sagte Lacomte. »Die GIGN – die Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale.
Die haben in Maisons-Alfort eine Kaserne, das liegt südöstlich von Paris.«
Die GIGN wurde am 3. November 1973 aufgestellt, nach der Besetzung der saudischen Botschaft in Paris im gleichen Jahr. Bei dieser Spezialtruppe legt man seit jeher großen Wert auf die Ausbildung im Präzisi-onsschießen, was sie im Februar 1976 nachdrücklich unter Beweis stellte, als Scharfschützen der GIGN auf einen Schlag fünf Terroristen der Somalischen Befrei-ungsfront töteten, die einen Schulbus mit dreißig Kin-dern im Alter von sechs bis zwölf Jahren in ihre Gewalt gebracht hatten. Die Präzisionsschützen mussten über zehn Stunden warten, bis sie alle Terroristen gleichzeitig ausschalten konnten. Das einzige Opfer war ein kleines Mädchen, das von einem sechsten Terroristen umgebracht wurde, der sich nach der Schie-567
ßerei in dem Bus verschanzte. Als die GIGN-Männer anschließend den Bus stürmten, kam auch er ums Leben.
»Wir dachten«, fuhr Lacomte lächelnd fort, »dass die SAS-Männer vielleicht einmal mit echten Profis zusammenarbeiten möchten.«
Es war schon nach sechs, als Richter und Herron aus dem Ministerium kamen und in den bereitstehenden Wagen stiegen. Westwood winkte ihnen zu und lief in Richtung Avenue Gabriel. Als sie wieder in der britischen Botschaft waren, ging Herron die eingegangenen Mitteilungen durch und reichte Richter eine Nachricht von Stirling Lines – die Fernmeldekennung des SAS-Hauptquartiers in Hereford. Darin wurde bestätigt, dass
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