Operation Overkill
hoher Berechtigungsstufe –, können wir das Ding meiner Meinung nach nicht knacken.«
Chersson, Distrikt Pritschernomorskaja Nismennost,
Ukraine
Hauptmann Walentin Iwanowitsch Kabanow war auf einem Bauernhof in der Ukraine geboren und hatte 782
sein ganzes Berufsleben beim Geheimdienst verbracht, hauptsächlich in und um Odessa. Er hatte als Sekretär angefangen, war aber aufgrund seiner Klug-heit und Beobachtungsgabe schon nach kurzer Zeit in den aktiven Dienst versetzt und rasch befördert worden, obwohl er keine höhere Schuldbildung genossen hatte.
Als die Meldung aus Jasenewo einging, dass nach Truschenko gefahndet werde, hatte Kabanow einen Observationseinsatz in den Außenbezirken von Chersson geleitet, einer Stadt in der Südukraine, bei der der Dnjepr ins Schwarze Meer mündet. Der Einsatzleiter des SWR in Odessa hatte Kabanow wie üblich über dessen Handy verständigt, aber da sich die Suche nach Truschenko auf die Krim konzentrierte, hatten er und seine fünf Mitarbeiter mit der eigentlichen Fahndung nichts zu tun. Jedenfalls erhielten sie keinen ausdrücklichen Einsatzbefehl. Aber Kabanow wäre kein ranghoher Offizier geworden, wenn er immer nur auf Befehle gewartet hätte.
Er erledigte zwei Anrufe und zog drei seiner Männer von der Observation ab. Dann nahm er sich eine Karte von der Krim und dem Distrikt Pritschernomorskaja Nismennost vor und studierte sie eingehend. Die Mitteilung aus Jasenewo hatte keine genau-eren Angaben enthalten, aber je länger Kabanow die Karte musterte, desto mehr war er davon überzeugt, dass die Straßensperren an der falschen Stelle aufgebaut worden waren. Wenn er einen Unterschlupf suchen müsste, würde er sich nicht unbedingt die Krim 783
aussuchen. Es sei denn, der Minister kannte einen anderen Fluchtweg.
Fünfzehn Minuten später sagte Kabanow dem Einsatzleiter des SWR in Odessa Bescheid, während die beiden Wagen seines Trupps von Chersson aus über Tsyurupinsk nach Kalantschak und Port-Chorly rasten.
Hammersmith, London
»Ich habe das Gefühl«, sagte Richter, »dass mir irgendwas entgangen ist.«
»Abgesehen vom Passwort des Systemmanagers?«, erwiderte Baker.
Irgendetwas machte Richter zu schaffen. Irgendetwas, das jemand gesagt oder nicht gesagt hatte. Es war wie ein Traum, an den man sich nicht mehr richtig erinnern kann, der einem aber trotzdem nicht aus dem Kopf geht. Er schloss die Augen, lehnte sich zu-rück, verdrängte jeden anderen Gedanken und konzentrierte sich.
Baker musterte ihn neugierig. Er hatte viel über Richter gehört – unter den Mitarbeitern des FOE wurde ebenso viel getratscht wie in jeder anderen Behör-de, und Richters Name war häufig gefallen. Für ge-wöhnlich ging es dabei um Geschichten über Einsätze im Außendienst, um Gewaltmaßnahmen dieser oder jener Art. Ein meditierender Richter dagegen war etwas ganz Neues.
784
Mit einem Mal beugte sich Richter vor und riss die Augen auf. »Das Telefon«, sagte er. »Geben Sie mir das Telefon.«
Port-Chorly, Distrikt Pritschernomorskaja Nismen-
nost,
Ukraine
Dimitri Truschenko steuerte das Motorboot langsam durch die Hafeneinfahrt und an die Mole. Es war ein großes Boot, das ein Mann nur mühsam vertäuen konnte, aber Truschenko war ein erfahrener Bootsführer, der keinerlei Schwierigkeiten damit hatte. Die Mo-le war menschenleer, abgesehen von einem älteren Mann, der an einem Poller lehnte und eine Angelrute über dem Schoß liegen hatte. Als Truschenko ihn genauer betrachtete, stellte er fest, dass er die Augen geschlossen hatte.
Truschenko hatte den Wagen so nahe wie möglich geparkt. Dennoch vergingen zehn Minuten, bis er die Tür aufgeschlossen hatte und sich ans Steuer setzte.
Der Motor sprang auf der Stelle an. Er legte den Gang ein und fuhr in die Stadtmitte von Port-Chorly.
Der alte Mann auf der Mole legte die Angelrute beiseite, setzte sich auf und blickte sich vorsichtig um, sobald er hörte, wie sich Truschenkos Schritte entfernten. Dann stand er auf, suchte in seinen Hosentaschen nach dem nötigen Kleingeld für ein Ortsgespräch und ging zu einem Telefon auf dem Hafengelände. Das 785
SWR hatte ebenso wie einst das KGB überall seine Späher.
Hammersmith, London
»Guten Tag. Amerikanische Botschaft. Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Verbinden Sie mich bitte mit Roger Abrahams«, sagte Richter.
Danach herrschte einen Moment lang Schweigen.
»Ich weiß nicht, ob hier jemand beschäftigt ist, der so heißt«, erwiderte die Telefonistin
Weitere Kostenlose Bücher