Operation Overkill
Richter, »und denken darüber nach.«
Baker brühte in der Ecke seines Büros löslichen Kaffee auf. »Lohnt es sich, das russische Wort für ›geheim‹ zu benutzen oder so was Ähnliches?«, fragte Richter, während er die angeschlagene Porzellantasse entgegennahm.
Baker schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich. Das System hat vermutlich einen Verwalter, der Zugang zu sämtlichen Passwörtern hat und sie überprüft.
Wenn er seine Sache ordentlich macht, lässt er nicht zu, das so etwas Simples verwendet wird.« Baker schüttelte den Kopf. »Wir brauchen einen Namen, beziehungsweise ein Wort –«
Richter hätte beinahe seinen Kaffee verschüttet.
Plötzlich fiel ihm etwas ein, mit dem er zunächst überhaupt nichts hatte anfangen können. »Herrgott«, sagte er, »bin ich begriffsstutzig.« Er ging zum Telefon, rief in der Registratur an und bat darum, dass man ihm die Akte Graham Newman in die Computer-Abteilung brachte. »Ich glaube, ich weiß, wie das Passwort lautet«, sagte er.
773
Karkinit-Bucht, Schwarzes Meer
In Odessa befand sich das der Krim am nächsten gelegene SWR-Hauptquartier, aber in Sewastopol, Simferopol und Kertsch waren kleinere Einheiten stationiert. Von der SWR-Zentrale in Jasenewo war die Anweisung erteilt worden, dass die beiden Ausfall-straßen von der Krim, die über Krasnoperekopsk und Nowoalekseijewka führten, für sämtliche Kraftfahr-zeuge gesperrt werden sollten, ferner sollte der Zug-verkehr auf beiden Bahnstrecken sowie der Fährbetrieb zum Kaukasus eingestellt werden. Der Bahnver-kehr und der Fährbetrieb konnten mühelos unterbun-den werden – dazu waren nur zwei Anrufe nötig –, aber bei den Straßen sah die Sache anders aus. Zwar wurden von Simferopol aus sofort SWR-Trupps losgeschickt, die die örtlichen Polizeikräfte verstärken sollten, aber an den Straßensperren bildeten sich im Nu lange Schlangen, und es kam zu etlichen Zusammenstößen mit aufgebrachten Autofahrern.
Dimitri Truschenko war kein Dummkopf. Er hatte die Krim mit Bedacht gewählt, weil es praktisch eine Insel war, auf die nur wenige Zufahrtswege führten.
Außerdem hatte er damit gerechnet, dass das SWR
und die anderen Ordnungskräfte die Straßen sperren würden, wenn irgendetwas schief gehen sollte. Deswegen hatte er das schnelle Motorboot gekauft. Fünfzehn Minuten, nachdem er die Datscha verlassen hatte, war Truschenko zwei Meilen vor der Küste und steuerte mit achtundzwanzig Knoten durch die Kar-774
kinit-Bucht in Richtung Nordwesten, nach Port-Chorly, wo er seinen Wagen abgestellt hatte. Die Bootsfahrt dürfte seiner Schätzung nach rund fünfundvierzig Minuten dauern, sodass er sich in rund einer Stunde wieder mit dem Großrechner in Verbindung setzen konnte.
Downing Street Nr. 10, London
Der Premierminister hatte in den letzten drei Tagen über das sichere Telefon häufiger mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gesprochen als in seiner ganzen bisherigen Amtszeit. Die beiden Männer hatten sich praktisch seit ihrer ersten, von der Presse weidlich ausgeschlachteten Begegnung ausgezeichnet miteinander verstanden, und im Laufe der Zeit war daraus eine Freundschaft geworden, die weit über die offiziellen Erfordernisse ihres Amtes hinausging. Diese Freundschaft hatte ihnen dabei geholfen, sich der Bedrohung zu stellen, die von Dimitri Truschenkos Operation Podstawa ausging.
Dass sie dem drohenden Angriff aus Russland gemeinsam entgegentreten wollten, wäre zu viel gesagt, da sich die Lage für beide Länder völlig anders darstellte – auf britischem Boden befand sich keine einzige Waffe, aber über zweihundert lagerten in amerikanischen Großstädten –, außerdem verfügten beide Länder über völlig unterschiedliche strategische Möglichkeiten. Aber beide Männer waren der Meinung, 775
dass man der Gefahr am ehesten begegnen konnte, wenn man den Russen ebenfalls drohte, ihnen gegen-
über ebenso hart, kompromisslos und entschlossen auftrat.
»Welche Ziele haben Sie vorgegeben?«, fragte der Präsident.
»Moskau, St. Petersburg und Gorki«, erwiderte der Premierminister. »Flächendeckend. Keine militärischen Ziele. Nur Ballungsgebiete mit einer hohen Bevölke-rungsdichte.«
»Und das haben Sie dem russischen Botschafter mitgeteilt? Scharow, heißt er, glaube ich.«
»Ja. Und ich bin davon überzeugt, dass er über Operation Podstawa genau Bescheid wusste – man konnte es ihm förmlich am Gesicht ansehen, als ich ihm mitteilte, dass wir die Waffe in Frankreich
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