Operation Overkill
vorausgesetzt natürlich, dass das Oberkommando der US Air Force Europe nicht komplett dem Schwachsinn anheim gefallen ist, worüber ich mir nicht ganz sicher bin. Erstens, die Maschine hatte sich hoffnungslos verfranst, was ich nicht glaube.« Richter hielt inne. »Was wissen Sie über die Navigationsgeräte an Bord des Blackbird?«
»Gar nichts«, erwiderte Simpson. »Aber ich nehme an, sie sind vom Allerfeinsten.«
»Das kann man wohl sagen. Das wichtigste Naviga-tionsinstrument des Blackbird ist ein Computer, der seine Position ständig anhand von zweiundfünfzig Sternen bestimmt und so zuverlässig ist, dass er die SR-71A fast punktgenau zu jedem Ziel auf dieser Welt lotsen kann. Die Maschine ist auf gar keinen Fall vom Kurs abgekommen.«
»Und wie lautet die andere Erklärung?«
»Es gibt nur noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht haben die Amerikaner irgendwo entlang dieser Linie eine militärische Anlage entdeckt, hielten es aber in ihrer unendlichen Weisheit nicht für notwendig, uns etwas davon zu erzählen.«
Odessa, Tschernoje More (Schwarzes Meer)
Die Anton Kirow , ein vor zwanzig Jahren gebauter Küstenfrachter, der hauptsächlich im Mittelmeer und 196
im Schwarzen Meer verkehrte, wirkte herunterge-kommen. Rostschlieren zogen sich über die Bordwän-de, von den rußigen Aufbauten blätterte der Anstrich ab, und das ganze Schiff strahlte etwas Marodes aus.
Von außen besehen wirkte die Anton Kirow genauso verwahrlost wie viele andere Dampfer an diesen Ge-staden. Doch das war Absicht – das Schiff sah zwar wie ein Seelenverkäufer aus, aber der äußere Eindruck täuschte. Die Maschinen und die Technik waren bestens in Schuss.
Die Haupt- und Hilfsmaschinen wurden regelmäßig gewartet – öfter als vom Hersteller vorgeschrieben –, und sämtliche Geräte an Deck, die Winden, Winschen und Kräne, waren in bestem Zustand. Dahinter steckte eine ganz einfache Überlegung. Wenn ein Schiff leistungsstarke Maschinen hat, ist es nicht so lange auf See, und je schneller es die Fracht löschen und neue aufnehmen kann, desto kürzer ist die Liegezeit im Hafen. Deshalb war die Anton Kirow ein rentables Schiff, das mehr Gewinn einfuhr als die meisten anderen Frachter in seinem Alter.
Das Schiff war nach wie vor an seinem Liegeplatz im äußeren Hafen von Odessa vertäut, was ungewöhnlich war, weil seit dem frühen Morgen die letzte Fracht geladen und verstaut worden war. Die gesamte Besatzung war an Bord, aber ihre Seesäcke und Koffer waren sauber und ordentlich am Kai übereinander gestapelt, und ihr Kommandant, Kapitän Waleri Nikola-jewitsch Bondarew von der russischen Handelsmari-ne, ein kleiner, stämmiger Mann mit rotem Seemanns-197
gesicht, lief unwirsch auf der Brücke hin und her und wartete.
Es war fast sechs Uhr abends, als er den grauen Kleinbus bemerkte, der sich dem äußeren Hafen näherte. Er meldete sich sofort im Maschinenraum und befahl dem Chefmaschinisten, das Schiff klar zum Auslaufen zu machen. Dann stieg er aufs Deck hinab, ging zu der dem Hafengelände zugewandten Reling und sah zu, wie der Kleinbus neben dem Schiff anhielt.
Die Vorder- und die Seitentüren wurden geöffnet und etliche Männer stiegen aus. Seine gesamte Besatzung mit Ausnahme des Chefmaschinisten und des Steuermanns begab sich über die Gangway zum Kai hinab. Sie nahmen ihr Gepäck und traten neben dem Kleinbus in Reih und Glied an. Diese Fahrt würde oh-ne sie stattfinden.
Ein großer Mann mit schmalem Gesicht und kurz geschnittenen schwarzen Haaren, der zuerst aus dem Bus gestiegen war, stand da und sah zu, wie sich die Neuankömmlinge an Bord begaben. Er bemerkte Bondarew, ging forschen Schrittes zum Schiff, stieg die Gangway hinauf und trat vor den Kapitän. »Kapitän Bondarew?«, fragte er höflich.
»Ja«, entgegnete Bondarew. »Wer sind Sie?«
Der Mann nahm Bondarews gereizten Unterton wahr. »Mein Name spielt keine Rolle, Kapitän«, sagte er besänftigend. »Ich bedaure, dass wir Ihnen solche Umstände machen, aber ich habe meine Befehle von höchster Stelle erhalten.«
Bondarew nickte. »Ja, ja, ich auch. Sagen Sie mir nur 198
eins. Ist einer Ihrer Männer schon mal auf einem Han-delsschiff gefahren?«
Der große Mann nickte. »Natürlich, Kapitän. Das sind lauter erfahrene Seeleute – deshalb hat man sie für diesen Einsatz ausgewählt. Auf dieser Fahrt werden Sie keinerlei Schwierigkeiten mit der Besatzung haben.«
»Hoffentlich nicht«, erwiderte Bondarew. »Das wird keine
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