Operation Overkill
Strecke zurückfahren. Ich wollte die Landstraße nehmen und dann auf die A10 stoßen. Aber weil ich auf der A1 hingefahren bin, nahmen sie vermutlich an, dass ich auch auf der A1 zurückfahren würde – Staus hin oder her. Schlangestehen sind die Russen schließlich gewöhnt. Ich glaube«, fuhr Richter fort, »dass irgendwo zwischen Brampton und London jemand an der A1 auf der Lauer lag und nur darauf wartete, dass ich im Zielfernrohr seines Mannlicher oder Mauser auftauchte. Kein Profikiller würde von 247
einem fahrenden Auto aus einen Anschlag auf jemanden versuchen, der ebenfalls im Auto unterwegs ist –
ein sauberer Treffer ist so gut wie unmöglich. Folglich war es nur eine Notlösung, und sie haben lediglich darauf zurückgegriffen, weil ich nach links abgebogen bin, als ich in Brampton aus dem Tor fuhr.«
Simpson nickte. »Was für Waffen hatten sie bei sich?«
»Der Typ auf dem Rücksitz hatte einen Colt. Was der Fahrer hatte, weiß ich nicht.«
»Warum nichts Schwereres?«
»Vermutlich aus Vorsicht. Diplomatenpass hin oder her, aber das einfache Volk sieht es nicht gern, wenn sich ausländische Ganoven mit Sturmgewehren oder Maschinenpistolen in der Gegend herumtreiben. Pistolen kann man verbergen.«
Simpson war offenbar damit zufrieden. Er nickte, stand auf, ging zu seinem Lieblingsfenster und schaute hinaus. Er fummelte eine Zeit lang an seinen Kakteen herum, dann drehte er sich um. »Na schön, nehmen wir vorerst mal an, es handelte sich um eine russische Operation. Aber warum?«
»Ich glaube, Newmans Tod muss irgendetwas mit dem Flug des Blackbird zu tun haben«, sagte Richter.
»Gehen wir doch mal die Ereignisse durch. Ich reise nach Moskau, untersuche den Tod eines Botschafts-angehörigen, und prompt will mich ein russischer Killer in Scheremetjewo aus dem Verkehr ziehen. Ich komme zurück und fahre sofort zum JARIC, wo vermutlich die Bilder vom Flug des Blackbird landen, 248
falls wir etwas damit zu tun haben sollten. Anschlie-
ßend will mich wieder jemand aus dem Verkehr ziehen. An Zufälle glaube ich ebenso wenig wie an den Weihnachtsmann. Diese Vorfälle haben irgendetwas miteinander zu tun, was alles in allem dazu führt, dass ich nach Ansicht der Russen liquidiert werden muss. Ich wurde bei der Ankunft in Scheremetjewo fotografiert, wie alle Ausländer, und ich nehme an, das Bild passte zu einer Eintragung in der Datenbank des SWR, deshalb der Mordversuch am Flughafen. In der hiesigen russischen Botschaft liegen vermutlich haufenweise Fotos von mir, dazu zweifellos eine Anordnung aus der Lubjanka oder aus Jasenewo, dass man mich beobachten, Bericht erstatten und mich umbringen soll, wenn ich gewisse Dinge tue oder mich an bestimmte Orte begebe. JARIC war vermutlich einer davon. Außerdem sollten Sie noch etwas anderes bedenken«, fügte Richter hinzu. »Wenn sie mich verfolgt haben, haben sie höchstwahrscheinlich auch die Firma Hammersmith Commercial Packers auf ihrer Liste.«
Hammersmith Commercial Packers diente dem FOE als Tarnung. Die Firma gab es wirklich, und sie beschäftigte sogar ein paar Angestellte, die im Erdgeschoss des unmittelbar nördlich von der Hammersmith Flyover gelegenen Gebäudes ihrer völlig legalen Tätigkeit nachgingen.
»Ich werde daran denken«, sagte Simpson. »Eine Ihrer Vermutungen kann ich bestätigen. Der Wagen wurde vor drei Tagen in London gestohlen. Die Leute 249
von der Botschaftsüberwachung haben bestätigt, dass die beiden Insassen Russen waren, und unseren Unterlagen zufolge sind sie erst vorgestern hier eingetroffen, zusammen mit zwei anderen, ebenfalls neuen Bot-schaftsangehörigen. Es könnte sich also um einen Killertrupp handeln. Besser gesagt, es könnte sich um einen Killertrupp gehandelt haben. Die beiden sind tot.«
»Oh«, sagte Richter.
»Ja«, sagte Simpson. »Ich nehme an, die beiden waren wohlbehalten und am Leben, als Sie wegfuhren.«
»Weiß ich nicht«, erwiderte Richter. »Bewusstlos waren sie mit Sicherheit.«
Simpson warf ihm einen zweifelnden Blick zu.
»Dem Bericht der dortigen Polizei zufolge hatten beide einen Schädelbruch erlitten, der ihnen mit einem schweren Hammer oder einem anderen Schlagwerk-zeug zugefügt wurde. Darüber wissen Sie nichts, was?«
Richter schaute ihn unverwandt an. »Nein«, sagte er. »Warum durchsuchen Sie nicht den Werkzeugkasten im Granada und sehen nach, ob Sie einen blutigen Wagenheber oder irgendwas anderes finden?«
»Das habe ich bereits getan. Auch von der Waffe, mit
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