Operation Romanow
aufbrechen.« Boyle zog die kleine schwarze Mauser mit dem Walnussgriff und ein Ersatzmagazin aus der Tasche. Er reichte Lydia beides. »Die gehört Ihnen, glaube ich. Möchten Sie die Waffe als zusätzliche Sicherheit behalten?«
Lydia nahm die Pistole entgegen. »Versprechen Sie mir, Boyle, dass Sie Ihr Wort halten und für Finn gesorgt wird, wenn ich nicht zurückkehre?«
»Sie haben mein Ehrenwort.«
Ein paar Sekunden herrschte bedächtiges Schweigen, dann hörten sie ein dumpfes Rumpeln, als zwei Mechaniker das Hangartor aufschoben. Bedrohliche schwarze Wolken türmten sich am Horizont auf.
Sikorski betrat mit geschäftiger Miene und einer Tasse Tee in der Hand das Büro. »Posner möchte jetzt möglichst schnell starten.« Er erhob seine Tasse. »Alle Feinde der Roten sind meine Verbündeten. Was auch immer Sie im Schilde führen, Herrschaften, ich hoffe doch, Sie machen Ihnen das Leben schwer!«
Sie liefen durch den Hangar ins Freie. Die Mechaniker schoben die Ilja Muromez auf eine zerfurchte Wiese, die als Start- und Landebahn benutzt wurde.
Einer der Mechaniker stieg mit Posners Kopiloten an Bord, einem jungen Mann mit kindlichen Gesichtszügen, der kaum zwanzig war und mitgeholfen hatte, das Flugzeug auf die Wiese zu schieben.
Posner hielt einen Stapel Wetter- und Luftfahrtkarten in der Hand und beobachtete besorgt die aufziehenden Wolken. »Wir müssen jetzt starten, sonst geraten wir in den Sturm. Gehen Sie bitte an Bord.«
Ein Mechaniker stellte eine kleine Trittleiter vor die Tür des Flugzeugs, worauf alle an Bord gingen. Innen roch es nach Treibstoff. Über ein Dutzend Metallfässer standen auf beiden Seiten der langen zigarrenförmigen Kabine.
»Sie können sich hinsetzen oder sich vorne hinstellen, um unseren Start zu beobachten. Wie Sie möchten«, sagte Posner.
Boyle suchte sich einen Platz in der Kabine. Andrew und Lydia stellten sich hinter Posner und seinen jungen Kopiloten, die bereits auf ihren hohen Sitzen Platz genommen hatten. Posner brachte die Startklappen in Stellung, der Kopilot bediente den Gashebel.
Boyle winkte Sikorski zum Abschied zu, ehe Posner die Tür zuzog. Die Mechaniker schoben das Flugzeug noch weiter auf die Wiese und setzten dann per Hand die Propeller in Bewegung. Nacheinander sprangen die vier Motoren stotternd an.
»Es geht los!«, verkündete Posner und bediente die Steuerung. »Alle Mann gut festhalten!«
Andrew und Lydia griffen nach den Lederriemen über ihren Köpfen. Posner gab Vollgas. Als die Motoren auf Touren kamen, hallte ein ohrenbetäubendes Dröhnen durch die Maschine. Langsam setzte sich das Flugzeug in Bewegung. Es rollte ratternd und bebend über den ausgefahrenen Flugplatz und wurde immer schneller. Und gerade, als Lydia dachte, dass die Ilja durch die starke Vibration auseinanderzufallen drohte, hob das Flugzeug vom Boden ab und stieg elegant in die Luft auf.
58. KAPITEL
Zwischen England und Deutschland
Andrew betrachtete staunend die englische Küste, die langsam aus seinem Blickfeld verschwand.
Posner bediente eifrig die Steuerung und zog das Flugzeug zuerst auf tausend, dann bis auf fünftausend Fuß hoch, während sie über die Nordsee hinwegflogen. Boyle saß in der Kabine und goss sich Kaffee aus einer Feldflasche ein.
Lydia blickte mit ängstlicher Miene aufs Meer.
»Was ist los?«, fragte Andrew sie. »Hast du Angst vorm Fliegen?«
Plötzlich kam das Flugzeug ins Schlingern, als es in ein Luftloch geriet. Lydia verlor das Gleichgewicht und landete in Andrews Armen. »Alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
Lydia hielt sich an ihm fest, bis die Turbulenzen wieder nachließen. »Ja. Wenn es dir recht ist, versuche ich, ein bisschen zu schlafen.« Sie lief den Gang hinunter zur Schlafkabine.
Andrew blickte ihr nach. Als sie die Tür hinter sich schloss, übergab Posner die Steuerung an den Kopiloten. »Es wird ein bisschen ruckeln, bis wir die Küste hinter uns gelassen haben. Aber machen Sie sich darüber keine Gedanken. Wie geht es Ihrer Freundin? Sie scheint ein wenig aufgewühlt zu sein. Wenn man zum ersten Mal fliegt, kann einem schon mulmig werden.«
»Machen Sie sich keine Sorgen?«
Posner lächelte. »Uns steht auf Erden allen nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, mein Lieber. Was hat man davon, wenn man sich Sorgen macht? In der Mitte des Ganges ist übrigens ein Schrank eingebaut, in dem Sie Sandwiches, Wasser, Tee und Kaffee finden. Falls Sie Hunger oder Durst haben, bedienen Sie sich.«
»Danke.«
Boyle
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