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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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erlitt starke Verbrennungen und kehrte einen Monat später als Invalide zurück. Nina und ich waren bei ihm, als er starb.«
    Lydia musterte ihn aufmerksam. »Erzähle mir mehr über deinen Vater.«
    Mit dieser Frage hatte Juri Andrew nicht gerechnet. »Ich war sechs, als meine Mutter starb. In Sankt Petersburg war eine Grippeepidemie ausgebrochen. Ihr Tod setzte meinem Vater schwer zu. Er hat sie sehr geliebt, weißt du? Das haben wir beide. Für ihn war es besonders schlimm, weil er Arzt war. Seine Aufgabe war es, Leben zu retten, doch meiner Mutter konnte er nicht helfen.«
    »Das muss furchtbar für ihn gewesen sein.«
    »Noch lange nach ihrem Tod hörte ich ihn nachts oft im Schlafzimmer weinen. Er war verzweifelt und untröstlich. Eines Tages schickte er mich für einige Zeit zu Verwandten nach Moskau. Damals wusste ich nicht, dass er mich nur schützen und mir seine kummervolle Miene ersparen wollte.«
    Andrew sah ihr in die Augen. »Ich erinnere mich genau, wie er mir vom Bahnsteig aus zum Abschied winkte, und an das Pfeifen des Zuges an dem Abend, als ich zu meinen Verwandten fuhr. Dieses Pfeifen verfolgt mich bis zum heutigen Tag. Es war wie ein Echo, das mich daran erinnerte, wie einsam wir beide uns fühlten. So ist das Leben, nicht wahr? Wie ein unvollständiges Puzzle. Irgendwie fehlt immer ein Stück.«
    »Und später? Hat er nicht wieder geheiratet?«
    »Er hätte es tun sollen. Er war ein Mann, der die Liebe einer Frau in seinem Leben brauchte. Stattdessen stürzte er sich in die Arbeit. Mitunter trank er zu viel, um den Kummer zu vergessen.«
    Andrew stand auf, als wollte er die Erinnerungen abschütteln, und griff nach seiner Jacke. »Wir müssen uns überlegen, wie wir Jekaterinburg erreichen, ohne zu große Aufmerksamkeit zu erregen.«
    »Wie machen wir das?«
    Er lächelte. »Ich glaube, es ist Zeit, dass ich dir einen alten Freund von mir vorstelle.«

68. KAPITEL
    Moskau
    In einer heruntergekommenen Straße in der Nähe des Bahnhofs, in dem die Transsibirische Eisenbahn Station machte, hatten einige Pfandleiher von Moskau ihre Ladenlokale. Die Geschäfte liefen ausgesprochen gut.
    Das Schild mit den drei goldenen Kugeln, das vor dem Geschäft hing, hatte schon bessere Tage gesehen. Die Farbe blätterte allmählich ab. Verrostete Eisenstäbe vor den Fenstern schützten das Ladenlokal vor Einbrechern. In der Tür hing ein Schild, auf dem GEÖFFNET stand.
    Als Andrew die Tür öffnete, klingelte eine Glocke über seinem Kopf. Gefolgt von Lydia betrat er das mit Waren vollgestopfte Geschäft. An der Decke hingen Kleiderstangen, auf denen man von feinen samtenen Ballroben bis zu derber Arbeitskleidung alles fand.
    In verschiedenen Glasvitrinen wurden persönliche Gegenstände angeboten: Brillen und Uhren, Schmuck und Ringe und sogar ein Holzbein.
    Hinter einem Schalter, der wie auch die Fenster durch ein Metallgitter geschützt war, saß ein Mann mit einer filigranen Brille auf der Nase. An seiner linken Hand fehlten zwei Fingerkuppen. Die schwarzen Stummel wiesen darauf hin, dass sie erfroren waren. Der zerschlissene dunkle Anzug, den er trug, war mit Zigarettenasche befleckt. Der Mann schien vollkommen in seine Arbeit versunken zu sein. Er begutachtete einen Ring mit der Lupe eines Juweliers.
    »Wie viel kostet die Schreibmaschine im Fenster?«, fragte Andrew.
    »Fünfzig Rubel und keine Kopeke weniger«, erwiderte der Mann, ohne den Blick zu heben. »Wir verkaufen hier keinen Mist, wissen Sie. Das ist eine amerikanische Remington. Die beste.«
    »Sie lassen wohl nicht mit sich handeln, Unteroffizier Tarku«, sagte Andrew lächelnd.
    Jetzt hob der Mann den Kopf. Die Lupe fiel ihm aus der Hand, und er riss schockiert den Mund auf. »Mann, ich glaub’s nicht! Hauptmann Andrew. Was machen Sie hier?«
    Andrew verschloss die Eingangstür, sicherte sie mit dem Stahlriegel und drehte das Schild auf die Seite, auf der G ESCHLOSSEN stand. »Ich brauche Ihre Hilfe. Können wir ungestört miteinander sprechen?«
    Tarku kam hinter der Theke hervor und schüttelte Andrew die Hand. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie jemals wiedersehen würde, Hauptmann! Sie kommen zur rechten Zeit. Normalerweise arbeite ich hinten, sodass die Kunden mich nicht sehen, aber mein Chef ist heute geschäftlich unterwegs.«
    Andrew zeigte auf Lydia. »Eine Freundin von mir. Der Name spielt keine Rolle.«
    »Kein Problem. Wie Sie meinen.« Tarku verbeugte sich. »Ich freue mich, junge Frau.« Er klopfte Andrew auf den Rücken.

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