Operation Romanow
Tankdeckel ab. Einer der Soldaten kam mit einem Benzinkanister auf sie zu.
»Brauchen Sie eine Unterkunft für die Nacht, Genosse?«, fragte der Mann mit dem Bart.
»Nein, danke. Wir fahren weiter.«
»Wer ist die Frau?«
»Meine Frau.«
Der Mann grinste und strich über seinen dreckigen Bart. »Ein hübsches Weib, das muss man sagen.«
Andrew spürte, dass die Situation brenzlig wurde. Er griff nach seiner Waffe, doch der Mann hatte seine Pistole schon gezogen. »Finger weg von der Waffe, oder ich mache Sie einen Kopf kürzer!«
Als sich Lydia nach dem Revolver auf dem Boden des Beiwagens bückte, eilten die Soldaten auf sie zu und hielten sie an den Armen fest. Sie zogen sie aus dem Beiwagen und rissen ihr die Waffe aus der Hand. Lydia trat um sich, aber es war zwecklos.
»Es ist ein großer Fehler, sich mit einem Tscheka-Kommissar anzulegen«, warnte Andrew die Männer.
Der Mann mit dem Bart nahm ihm den Revolver ab. »Sehe ich aus, als würde mich das interessieren? Ich scheiß auf Lenin!«
»Sie sind nicht von der Roten Armee?«
Der Mann schnaubte verächtlich. »Wir sind alle Deserteure. Die Roten sind schlau genug, uns hier nicht zu belästigen. Die haben andere Sorgen.« Er trat näher an Andrew heran. »Und Sie sind Hauptmann Andrew, nicht wahr?«
Andrew starrte ihn erstaunt an.
»Hier ist ein alter Freund von Ihnen.«
Ehe Andrew etwas erwidern konnte, hörte er jemanden sagen: »Die Welt ist klein, Hauptmann Andrew.«
Andrew wirbelte herum und sah jemanden aus einem Raum im hinteren Teil der Werkstatt kommen. Er erkannte Feldwebel Mersk dank seiner großen, kräftigen Statur, dem dicken Schnauzer und der dreckigen Schaffellmütze sofort wieder. Die Nagaika-Peitsche hing an dem speckigen Gürtel des Ukrainers. Er grinste hämisch. Offenbar hatte er alles beobachtet. Andrew verließ der Mut.
Mersk spuckte auf die Erde und riss Andrew den Brief aus der Hand. »Wenn Sie Tscheka-Offizier sind, bin ich Tänzer am Bolschoi-Theater. Was führen Sie im Schilde, Andrew? Zuletzt hab ich gehört, dass Sie auf der Flucht sind.«
Andrew schwieg beharrlich.
»Ich hab dich was gefragt, du Scheißkerl!« Mersk brach Andrew mit der Faust den Unterkiefer. Durch die Wucht des Schlags wurde Andrew gegen den Lastwagen geschleudert und rutschte auf den Boden. Mersk holte Schwung, versetzte ihm einen Tritt in den Unterleib und stellte den Fuß dann auf Andrews Kehle. »Jeder hat mal Glück im Leben. Ich werde dir beibringen, Respekt zu zeigen, wenn ich dir eine Frage stelle!«
Andrew rang nach Luft.
»Wir beide haben noch eine Rechnung offen, glaube ich.«
Mersk gab den Soldaten ein Zeichen und zog den Stiefel weg. »Fesselt ihn und lasst ihn nicht aus den Augen. Der ist mit allen Wassern gewaschen.«
Zwei Soldaten rissen Andrew hoch. Sie durchsuchten ihn, ehe sie seine Hände mit einem Strick zusammenbanden. Die anderen versuchten Lydia zu bändigen, die wild um sich schlug, als einer die schwarze Mauser fand.
Er warf sie Mersk zu, der die Waffe abschätzend in der Hand wog.
»Ganz schön mutig, die Kleine, was? Mal sehen, ob ich Kapital aus euch schlagen kann. Was meint ihr, was passiert, wenn ich an Kommissar Jakow telegrafiere, dass ich euch geschnappt habe?«
Er steckte die Mauser in die Jackentasche und grinste Andrew an. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ich schicke das Telegramm. Dann vergnüge ich mich mit diesem Weib, ehe die Roten sie in die Finger bekommen.«
85. KAPITEL
Zwischen Moskau und Jekaterinburg
Soba öffnete die Waggontür und führte Nina in Jakows Wagen. Sie hatte ihr Haar zusammengebunden und trug einen Schal um die Schultern. Soba ging sofort wieder hinaus und schloss leise die Tür hinter sich.
Nina blickte Jakow schweigend an.
»Wie geht es Sergej?«, fragte er.
»Er schläft, doch das Rasseln in seiner Brust ist schlimmer geworden. Ich habe Angst, es könnte zu Blutungen in der Lunge kommen. Es wäre nicht das erste Mal. Er braucht einen Arzt.«
Jakow musterte Nina. Sie sah furchtbar erschöpft aus. Müdigkeit, Angst und Verzweiflung machten ihr schwer zu schaffen.
»Ein sehr erfahrener Arzt ist im Zug. Er wird alles für Sergej tun, aber leider sind die Medikamente knapp.«
»Was ist mit Juri geschehen?«
»Er ist entkommen. Das ist das Einzige, was ich weiß.«
»Warum hast du uns aus Moskau mitgenommen?«
»Ich habe dir gesagt, dass dein Handeln für dich Konsequenzen haben wird«, erklärte Jakow seufzend. »Das war die Wahrheit. Lenin hat mir befohlen,
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