Operation Romanow
gestorben ist. In seine Kleidung waren vermutlich ebenfalls Edelsteine eingenäht.«
Boyle nahm das Mieder in die Hand und strich über den Stoff. »Wird sie es schaffen?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Auf jeden Fall braucht sie ärztliche Hilfe. Eigentlich müsste sie in ein Krankenhaus.«
»Das ist zu riskant. Aber Jakow hat einen Arzt im Zug. Je eher wir sie dort hineinbringen und abfahren, desto besser.«
Andrew und Jakow kehrten in diesem Moment zurück. Ihre Gesichter verrieten nichts Gutes.
Boyle zeigte ihnen die Edelsteine und das Mieder. »Das hat sie gerettet – Edelsteine, die sie in ihr Mieder eingenäht hat.« Er gab Schwester Agnes die Steine zurück. Sie zog einen kleinen Lederbeutel unter ihrer Tracht hervor und steckte die Edelsteine hinein, damit sie nicht verloren gingen.
»Was ist los?«, fragte Boyle Andrew. »Sie sind beide leichenblass!«
»Soba, Markow und der Lokführer sind erschossen worden.«
Boyle seufzte und strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Gibt es noch mehr schlechte Nachrichten?«
»Nina liegt bewusstlos im vierten Wagen. Der Arzt war bei ihr, sie sind beide gefesselt. Er war ebenfalls bewusstlos, doch es ist mir gelungen, ihn aufzuwecken. Zumindest leben sie. Der Arzt wird sich um Anastasia kümmern.«
»Hat er gesagt, was passiert ist?«
»Es war Kasan. Der Arzt meint, er wollte zum Ipatjew-Haus zurück und wär fest entschlossen, uns zu finden. Er hat Sorg mitgenommen!«
Boyle ließ seine breiten Schultern sinken. »Kann es noch schlimmer kommen?«
»Die Messgeräte und Rohre in der Lokomotive wurden zerstört. Wir können nirgendwohin fahren, Boyle.«
124. KAPITEL
Hauptbahnhof, Jekaterinburg
Der Nebel wurde noch dichter, als sie zur Lokomotive gingen und die Stufen hinaufkletterten.
Als Boyle den Leichnam des Lokführers entdeckte, funkelte er Jakow böse an. »Das ist ein ganz mieser Kerl, dieser Kasan!«
»Vermutlich hat er sich seine Fähigkeiten während seiner Zeit bei der Geheimpolizei des Zaren angeeignet«, vermutete Andrew.
Boyle untersuchte die zerschmetterten Messinstrumente und Rohre. »Aber über Dampfkraft haben sie ihm dort wohl nichts beigebracht.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Andrew.
Boyle betrachtete ein Metallrohr, das durchtrennt worden war, und dann fummelte er an ein paar Ventilen herum. »Ich kenne mich ein bisschen mit Lokomotiven aus. Die Hauptleitungen wurden nicht zerstört. Nur die Rohre, die zu den Anzeigen führen.«
»Und das heißt?«, fragte Andrew ungeduldig.
»Ich glaube, die Lokomotive fährt, aber wir können den Dampfdruck und den Wasserstand nicht überprüfen. Wo haben Sie Jakows Waggon abgestellt?«
»Ungefähr acht Kilometer von hier.«
Boyle dachte nach und seufzte. »So weit kommen wir wohl nicht. Wir müssen bei der Befeuerung des Kessels äußerste Vorsicht walten lassen, sonst könnte er explodieren.« Boyle zog einen dick gepolsterten Handschuh an, der auf dem Boden gelegen hatte, und öffnete das Feuerloch. Hitze schlug ihm entgegen. »Nehmen Sie eine Schaufel und schaffen Sie, so schnell Sie können, die Kohlen in den Kessel«, sagte er zu Jakow.
Andrew übersetzte.
»Das ist reine Zeitverschwendung«, erwiderte Jakow.
»Überlassen Sie es mir, das zu beurteilen!«
Jakow begann, Kohlen in das Feuerloch zu schaufeln.
»Bringen Sie die anderen in den Zug. Sie sollen sich alle in den Wagen hinter der Lokomotive setzen«, sagte Boyle zu Andrew. »Der Arzt soll alles in seiner Macht Stehende für das Mädchen tun.«
Andrew stieg die Stufen hinunter.
Boyle war noch immer mit den zertrümmerten Armaturen der Lokomotive beschäftigt und überlegte, ob er sie reparieren konnte, doch es war hoffnungslos. Er überprüfte, ob genug Wasser im Tank war. »Schaufeln Sie weiter, Jakow!«
Nach einer Weile gab Boyle ihm ein Zeichen, dass er aufhören konnte. »Gut, das reicht erst einmal. Jetzt müssten wir die Lokomotive eigentlich starten können.«
Jakow warf die Schaufel aus der Hand und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
Boyle lächelte. »Ich wette, Sie fragen sich gerade, wie lebensmüde ich sein muss, um mit dieser Lokomotive fahren zu wollen. Was passiert, wenn sie uns um die Ohren fliegt?«
Jakow runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. Er verstand kein Wort von dem, was der Kanadier von sich gab.
»Beten Sie, dass der Kessel nicht explodiert, Jakow. Denn Sie werden derjenige sein, der die Kohlen in das Feuerloch schaufelt.« Er wies mit dem Colt auf die Tür. »Kommen Sie, wir
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