Operation Romanow
Tscheka-Polizisten.
An der Tür, die zum geheimen Tunnel führte, blieb Kasan stehen und lauschte. Er hörte nichts und drückte die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich geräuschlos. Dahinter war nichts als Dunkelheit.
»Wie viele Leichen sind es?«, fragte Kasan.
»Ich glaube, zehn.«
»Sie glauben? «
Der Mann zählte noch einmal. Kasan zählte ebenfalls, um ganz sicherzugehen.
»Ja, zehn.«
»Eine fehlt!« Kasan war fuchsteufelswild. Er starrte in die Gesichter aller Toten und stellte fest, dass Anastasia Romanowa fehlte. »Diese hinterhältige kleine Hexe ist verschwunden!«
»Soll ich eine Lampe holen, damit wir in den Tunnel gehen können?«
»Vergessen Sie es. Es ist zu spät.«
»Was soll ich dem Kommandanten sagen?«
»Diesem betrunkenen Trottel?«, wetterte Kasan. »Nichts. Soll er doch selbst dafür sorgen, dass ihm ein Henker die Schlinge um den Hals legt. Gehen Sie zurück zum Wagen! Wir fangen sie am Bahnhof ab.«
»Und wenn sie versuchen abzufahren?«
»Das können sie nicht. Ich habe im Führerstand der Lokomotive alles kurz und klein geschlagen und dem Stationsvorsteher befohlen, dafür zu sorgen, dass kein Zug die Stadt verlässt. Dieser Abschaum fährt nirgendwohin. Dafür sorge ich!«
Sie verließen das Haus und stiegen in den Opel. Kasan legte den Rückwärtsgang ein und fuhr wie ein Verrückter an der Schranke vorbei auf die Straße. Er raste den Wosnessenski-Prospekt hinunter, und als er sein Ziel erreicht hatte, trat er auf die Bremse. Auf der anderen Straßenseite standen die größten Kasernen der Roten Armee. Kasan drehte sich auf seinem Sitz um und grinste Sorg siegessicher an.
»Ich hatte recht. Die Familie wurde hingerichtet. Sie sind alle tot, außer vielleicht dieser kleinen Hexe, deren Verhör Sie unterbrochen haben. Offenbar haben Ihre Freunde sie durch den Tunnel hinausgebracht. Aber die kommen nicht weit!«
Sorg ließ verzweifelt die Schultern sinken und stöhnte.
Kasan nickte dem Mann auf dem Beifahrersitz zu und zeigte mit dem Daumen auf die Kasernen. »Verständigen Sie den Kommandanten. Sagen Sie ihm, dass wir feindliche Agenten in die Enge getrieben haben. Wir brauchen jeden Soldaten aus der Kaserne, den er entbehren kann. Der Bahnhof muss komplett abgeriegelt werden!«
123. KAPITEL
Hauptbahnhof, Jekaterinburg
Andrew bog mit dem Krankenwagen in eine von Unrat übersäte Seitengasse ein. Ein dünner Nebelschleier senkte sich über die Stadt, als sie am Hintereingang des Hauptbahnhofs, in der Nähe des Güterbahnhofs, ankamen.
Ein müder älterer Eisenbahnarbeiter, der eine Tonpfeife rauchte, saß an einer Schranke.
»Machen Sie die Schranke hoch«, rief Andrew. »Wir müssen Verwundete transportieren!«
Der Mann war sofort hellwach, als er die Lederjacke sah, und öffnete die Schranke. Andrew passierte die Absperrung und fuhr an einem der Bahnsteige entlang. Er hielt so nahe wie möglich an Jakows Zug an, etwa sechzig Meter entfernt. Dann stieg er aus und befahl Jakow, ihm zu folgen.
»Sehen Sie nach, ob der Kessel angeheizt und der Zug abfahrbereit ist! Nehmen Sie Jakow mit. Wir kommen nach«, befahl Boyle.
Andrew richtete seine Waffe auf Jakow. »Du hast gehört, was er gesagt hat, Leonid. Komm mit, wir sprechen mit dem Lokführer.«
Sie hasteten über den Bahnsteig.
Boyle stieg aus dem Krankenwagen und öffnete die Hecktüren. Im Licht der Petroleumlampe versorgten Schwester Agnes und Lydia die Verwundete. Sie hatten die blutgetränkte Kleidung der Zarentochter mit der Schere aufgeschnitten und Verbände auf die Wunden gelegt. Die Nonne deckte Anastasia mit einer einfachen Decke zu.
»Wie geht es ihr?«
Schwester Agnes schüttelte den Kopf und hielt ein blutgetränktes Mieder hoch. »Es ist mir gelungen, die Blutung zu stillen, aber ich weiß nicht, welche inneren Organe verletzt sind. Halten Sie Ihre Hände auf.«
Boyle tat, worum sie ihn gebeten hatte.
Die Nonne drehte die Innenseite des Mieders nach außen. Mit einer Schere schnitt sie kreuz und quer in den Stoff, worauf eine Fülle von Saphiren, Diamanten und Smaragden in Boyles Hände fielen.
Er wog die Edelsteine in der Hand. Sogar in dem matten Schein der Petroleumlampe leuchteten sie. »Offenbar sind die Kugeln an den Stellen, die durch die in die Kleidung eingenähten Edelsteine geschützt waren, nicht in den Körper eingedrungen.«
Die Nonne nickte. »Das hat sie davor bewahrt, auf der Stelle getötet zu werden. Und das ist wohl auch der Grund, warum Alexej nicht sofort
Weitere Kostenlose Bücher