Operation Romanow
ganze Sache zu einem Ende zu bringen. Ich erspare den Frauen eine Kugel, außer der Romanow-Hexe. Das ist alles. Oder haben Sie noch eine letzte Bitte?«
Andrew übersetzte alles für Boyle. »Ich nehme an, ein Erste-Klasse-Ticket nach Paris für uns alle steht nicht zur Debatte?«, fragte Boyle trocken.
»Ich übernehme jetzt, Kasan«, sagte Jakow.
Kasan strafte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Sie? Sie haben nichts mehr zu sagen. Halten Sie sich da raus, Jakow!«
»Auf wessen Befehl?«
»Auf meinen! Sie sind ein Verräter. Sie haben einen gesuchten Spion freigelassen. Und noch schlimmer ist, dass Sie dem Feind geholfen haben, ein Mädchen der Romanows zu retten.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich, Kasan. Das ist vollkommener Unsinn.«
»Ach ja? Wir werden sehen, was Lenin denkt, wenn er hört, was ich zu sagen habe.«
Anastasia, die in der Ecke lag, stöhnte unter Schmerzen. Der Arzt tupfte ihr Schweiß und Blut von der Stirn. Anschließend nahm er eine Nadel und einen Faden, da er beabsichtigte, weitere Wunden zu nähen.
»Das ist sehr nobel, aber reine Zeitverschwendung«, sagte Kasan. Er nahm seine Taschenuhr heraus. »Ich gebe Ihnen dreißig Sekunden, um darüber nachzudenken. Dann ist es vorbei.«
Vom Opel aus beobachtete Sorg den Inspektor, der ein weißes Taschentuch in die Luft hielt und in den Waggon stieg. Der Hass auf Kasan loderte so heftig in ihm auf, dass er einen gequälten Schrei kaum unterdrücken konnte. Er blickte auf seine gefesselten Hände und versuchte, den Strick zu lockern, doch es war zwecklos. Der Füllfederhalter steckte in seiner rechten Jackentasche, und im Sitzen kam er nicht an ihn heran. Der Strick saß zu stramm.
Wenn Anastasia nicht bereits tot war, würde sie es bald sein. Dafür würden die Soldaten sorgen. Sorg akzeptierte, dass er versagt hatte. Der ganze Plan war in eine einzige Katastrophe ausgeartet. Doch wenn sie beide schon sterben mussten, würde er gerne bei ihr sein. Und er hatte noch einen letzten Wunsch.
Er wollte Kasan töten.
Wenn es ihm nur irgendwie gelänge, den Zug zu besteigen … Sorg verlagerte sein Gewicht auf die linke Seite und hob die Hände vor seinen Bauch, um den Füllfederhalter irgendwie zu fassen zu bekommen.
Der Fahrer am Steuer beobachtete aufmerksam den Zug.
Sorg schaffte es, nach der Jackentasche zu greifen. Er zog den Stoff zu sich heran und spürte die Kappe des Füllers durch die Tasche, konnte seine Finger aber nicht weit genug strecken. Als er seinen Körper noch weiter verdrehte, spürte er einen stechenden Schmerz in der Wunde und stöhnte.
Der Fahrer warf einen Blick über die Schulter und fuchtelte mit der Waffe. »Was machen Sie da?«, fragte er.
Sorg knurrte. »Meine Wunde blutet.«
Der Mann grinste. »Pech für Sie!«, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Zug zu.
Sorg verbog den Körper, bis die Schmerzen so stark wurden, dass er kaum noch Luft bekam und beinahe ohnmächtig wurde. Seine Finger berührten den Füllfederhalter. Er zog ihn vorsichtig aus der Ta s ch e.
Der Füller fiel auf den Boden.
Sein Bewacher drehte sich wieder zu ihm um. »Was war das?«
»Meine Wunde. Sie blutet immer stärker.«
»Lassen Sie mal sehen.«
Sorg beugte sich vor und stöhnte vor Schmerzen. Er tastete nach dem Füllfederhalter auf dem Boden, schob ihn zwischen seine Finger und schaffte es, die Kappe mit Daumen und Zeigefingern abzuziehen.
Der Mann am Steuer drehte sich zum Rücksitz um. »Ich habe gesagt, lassen Sie mal sehen! Was zum Teufel machen Sie denn da …?«
Sorg ließ seine Hände blitzschnell nach vorne schießen und stach die Klinge in die Luftröhre des Mannes. Blut spritzte aus der Wunde, und ein Schrei erstickte in seiner Kehle. Der Mann sackte auf dem Fahrersitz zusammen, knurrte leise und verstummte.
Inzwischen war Sorg schweißüberströmt. Er schnitt die Fessel mit der Klinge durch. Seine Hände waren blutverschmiert. Er wischte sie an der Kleidung des Toten ab und entriss ihm die Pistole. Als er sich umdrehte, sah er, dass die meisten Soldaten auf dem Bahnsteig in Richtung des Zugs sahen, doch einige beobachteten ihn. Ein Offizier starrte ihn an. Sorg hoffte, dass der Mann zu weit entfernt war, um zu sehen, was geschehen war.
Er nickte ihm grüßend zu.
Der Offizier nickte zurück.
Sorg schöpfte Hoffnung. Vielleicht wussten die Soldaten gar nicht, dass er Kasans Gefangener und nicht etwa einer seiner Männer war. Er musste das Risiko eingehen.
Er steckte die Pistole in die
Weitere Kostenlose Bücher